„Digitaler Unterricht muss sorgfältig geplant sein“


Autor*in: Anna-Maria Kamin

In der Zeit, in der Schüler*innen wegen der Corona-Krise nicht in die Schulen dürfen, sollten Schulen darauf achten, die Kommunikation mit ihren Schüler*innen zu stärken. Das sagt die Bildungsforscherin Professorin Dr. Anna-Maria Kamin von der Universität Bielefeld. Sie kritisiert, dass die Schulen in Deutschland dafür nicht flächendeckend auf medientechnische Infrastrukturen wie Lernplattformen zurückgreifen können. Wie Anna-Maria Kamin die aktuelle Lage sieht:

„Die Schulen sind wegen der Corona-Vorbeugung geschlossen, Schüler*innen erhalten von ihren Lehrer*innen Angebote, um zu Hause zu lernen. Durch dieses Homeschooling – das schulische Lernen zu Hause – bekommt digitale Bildung aktuell einen starken Schub. Lehrkräfte engagieren sich sehr stark, um bestmöglich mit der Situation umzugehen. Viele von ihnen nutzen und erproben digitale Tools, um das Lernen zu Hause zu begleiten.

„Die aktuelle Situation wird Anstöße geben, mediengestütztes Lernen didaktisch besser im Schulunterricht zu integrieren“, sagt die Bildungsforscherin Professorin Dr. Anna-Maria Kamin. Foto: Universität Bielefeld

Nicht nur im Hinblick auf Schulen, sondern auch auf Hochschulen und die Betriebe wird deutlich, welche Chancen digitale Medien bieten und wie wenig sie bislang ausgeschöpft wurden. Dennoch muss beachtet werden, dass es sich um eine Sondersituation handelt. Keinesfalls sollte Präsenzunterricht dauerhaft durch Onlinelernen ersetzt werden. Digital unterstützter Unterricht muss sorgfältig geplant sein. Wenn Lehrer*innen traditionelle Lernformen im Hinblick auf digitale Gestaltungsformen anpassen, sollte zuvor abgewogen werden, inwiefern Vorteile für das Lernen erkennbar sind. 

Die aktuelle Situation wird vielfach Anstöße geben, mediengestütztes Lernen didaktisch besser im Schulunterricht zu integrieren. Schulen sollten besonders jetzt digital unterstützte Lehr-Lernmethoden erproben. Das reicht von Erklärvideos und Trickfilmen über Online-Quizze und Podcasts bis hin zu E-Books und Games, die entweder Lehrer*innen den Schüler*innen bereitstellen oder Schüler*innen selbst produzieren können. 

Schulen sollten aktuell darauf achten, die Kommunikation mit ihren Schüler*innen zu stärken. Sie sollten Kommunikationsformen suchen und vereinbaren, um mit Schüler*innen und auch Eltern in Kontakt zu bleiben und Feedback zu geben. Weil oft zentrale Lösungen fehlen, bleibt Lehrer*innen momentan oft nichts anderes übrig, als das Einverständnis der Eltern zur Nutzung bestimmter digitaler Tools einzuholen und sie darauf hinzuweisen, dass sie die Kinder bei der Nutzung begleiten. 

Bei allen Chancen: Viele Studien belegen, dass Deutschland im Hinblick auf Medienausstattung, Mediennutzung, medienpädagogischer Kompetenz der Lehrkräfte und Medienkompetenz von Schüler*innen weltweit lediglich im Mittelfeld liegt. Das wird jetzt zum Problem. Für die Schüler*innen und Lehrer*innen wäre die Kommunikation einfacher, wenn flächendeckend auf gemeinsame stabile und leistungsstarke medientechnische Infrastrukturen zurückgegriffen werden könnte. Dazu gehören Schul-Clouds, Lernplattformen und datenschutzrechtlich unbedenkliche Kommunikationstools. Problematisch ist auch, dass die Schüler*innen nicht mit einheitlicher Hardware ausgestattet sind und die Begleitung durch Bezugspersonen stark variiert. Daran zeigt sich, dass Homeschooling Bildungsungleichheiten verstärken kann – und zwar dann, wenn nicht alle Kinder die gleichen Rahmenbedingungen haben. 

Die Wissenschaft hat die Aufgabe, den Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zu beforschen: Wie hat das Homeschooling funktioniert? Welche Strategien haben Lehrer*innen angewendet und wie sind sie mit den Herausforderungen umgegangen? An welcher Stelle sind Probleme besonders deutlich geworden? So können wir aus der Krise für die Rückkehr zum normalen Lernalltag lernen.

Professorin Dr. Anna-Maria Kamin ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik im Kontext von schulischer Inklusion. In dem Projekt DigHomE untersucht ihr Team mit Kolleg*innen der Universität Paderborn, wie Eltern oder weitere Bezugspersonen Schüler*innen bei Internetrecherchen unterstützen und begleiten. Dabei wird auch erhoben, wie sich die Corona-Krise auf das digital unterstützte Lernen von Schüler*innen zu Hause auswirkt.

Aufgezeichnet von Jörg Heeren