„Eine erste Hürde wurde genommen“


Autor*in: Universität Bielefeld

Am 20. April ist an der Universität Bielefeld das Sommersemester gestartet – aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie etwas später als gewöhnlich und als reines Online- bzw. Distance Learning-Semester. Bei einem virtuellen Kaffee erzählen Heike Rakutt aus dem Bielefelder IT-Servicezentrum, Abteilung eLearning Medien, und Meike Vogel aus dem Zentrum für Lehren und Lernen, wie die erste Woche in diesem ungewöhnlichen Semester gelaufen ist. 

Was sind die drängendsten Fragen, mit denen sich Lehrende aktuell an Sie wenden?

Heike Rakutt: Die Fragen der Lehrenden haben sich innerhalb der zurückliegenden Wochen verändert. Während in der ersten Zeit sich fast alles darum drehte, wie man auch im Homeoffice arbeitsfähig wird und welche Videokonferenz-Systeme genutzt werden können, sind jetzt die Hauptfragen, die bei uns aufschlagen: Wie wird das mit den Prüfungen großer Kohorten aussehen? Wie kann ich meine Ideen für die Online-Lehre in den Plattformen umsetzen?

Meike Vogel: Am Anfang war es schon die Frage danach, wie kann ich das was ich vorher gemacht habe, in der präsenzfreien Zeit umsetzen. Kann ich meine Folien in einem Videokonferenz-Tool präsentieren oder was mache ich, wenn ich Videos aufnehmen will? Jetzt kommen verstärkt Fragen zur Interaktion. Wie kann ich etwa sehen, ob die Studierenden aktiv dabei sind oder wie kann ich sie ermutigen, sich in meiner Onlinesitzung zu beteiligen? Wie kann ich sie miteinander arbeiten lassen? Und welche Elemente mache ich live (synchron) und welche sollte ich lieber aufzeichnen, so dass sich Studierende diese zeitlich versetzt ansehen und im Nachhinein bearbeiten können.

Wie verlief der Start ins Sommersemester?

Heike Rakutt. Foto: Universität Bielefeld

Heike Rakutt: Sehr unproblematisch. Es sind keinerlei Systeme ausgefallen. Und das bei einer sehr viel höheren Nutzung als in den bisherigen Semestern (Aktuelle Zahlen siehe unten).

Meike Vogel: Bereits in der ersten Woche ist unglaublich viel an Veranstaltungen gelaufen und es hat alles gut funktioniert. Die Interaktion zwischen Studierenden und Lehrenden könnte stellenweise noch weiterentwickelt werden. Aber da werden sicherlich mit zunehmender Erfahrung weitere Ideen kommen. Ansonsten sind die Studiendekan*innen und eLearning-Beauftragten sehr begeistert, was von den Lehrenden in so kurzer Zeit alles auf die Beine gestellt wurde. Sehr beeindruckt hat mich, wie Lehrende sich bereits im Vorfeld zusammengeschlossen haben. Quer durch alle Fakultäten gab es Zoom-Meetings und es wurden Materialien ausgetauscht. Und das auch über die Universitätsgrenze hinweg. Langfristig wird der Bereich Zusammenarbeit davon sicherlich profitieren. Ob das Sommersemester ein wirklich vollwertiges Semester sein wird, kann man natürlich erst im Nachhinein sagen. Wir werden versuchen, das frühzeitig abzufragen – bei Lehrenden und Studierenden – auch um zu evaluieren, was sich lohnt, in den folgenden Semestern gewinnbringend weiterzuverfolgen.

Wie steht es um das Thema „Technik“ im Kontext der Digitalen Lehre? Wie gehen Lehrende mit der Herausforderung um und wie ist die Stimmung?

Meike Vogel. Foto: Universität Bielefeld

Meike Vogel: Ich habe das Gefühl, dass die allermeisten Lehrenden sehr kreativ sind und die Herausforderung annehmen. Natürlich gibt es auch Lehrende, die weniger medienaffin sind. Diese regen Studierende an, das Sommersemester für Hausarbeiten zu nutzen und kommunizieren vorwiegend klassisch über E-Mails, was didaktisch kein Nachteil sein muss. Es geht ja darum, digitale Möglichkeiten für die Situation zu nutzen, aber nicht zwingend alles zu digitalisieren. Neben der Online-Lehre werden auch andere Formen des Distance Learning wie die Arbeit mit Texten oder Problem-based Learning in Eigenarbeit umgesetzt. Insgesamt empfinde ich die Stimmung als sehr positiv. 

Heike Rakutt: Ich kann mich da nur anschließen. Man spürt, dass viel Energie investiert wird, um richtig gute Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Alle Beteiligten sind sehr kreativ und unglaublich engagiert. Bei aller Euphorie muss man allerdings immer im Hinterkopf behalten, dass es Veranstaltungen gibt, die digital einfacher umzusetzen sind als andere. Wenn ein Lehrender also nicht alle seine Veranstaltungen digital umsetzt, heißt das nicht, dass er oder sie weniger engagiert ist. Manchmal ist es schlichtweg nicht möglich.

Welche Möglichkeiten Lehre digital umzusetzen sind besonders gefragt und warum?

Heike Rakutt: Prinzipiell denke ich, dass die gleichen Tools benutzt werden wie vor der Krise nur in einem viel größeren Umfang. Allen voran ist es die Videokonferenz-Anwendung Zoom. Aber auch die im ekVv (elektronischen, kommentierten Vorlesungsverzeichnis) angedockten Lernräume, der Moodle-basierte LernraumPlus und die Videoplattform Panopto. Vor allen Dingen Moodle ist viel gefragter als in den vergangenen Semestern. Wenn Lehrende uns nach neuen Tools fragen, die wir bislang noch nicht anbieten, sind wir offen, müssen allerdings auch immer auf die Rahmenbedingungen verweisen. Die von uns angebotenen Tools sind geprüft. Für sie bestehen Datenverarbeitungsverträge und sie unterliegen den Datenschutzbestimmungen.

Meike Vogel: Viele Lehrende entdecken jetzt auch die Vielfalt bekannter Tools. Im LernraumPlus etwa wurden bisher eher die Basisfunktionen genutzt, jetzt wird die Bandbreite viel stärker ausgeschöpft, gerade jene Möglichkeiten, für Austausch und Feedback. Insgesamt werden Student Response-Tools wie z. B. Pingo oder ARSnova gerade häufig verwendet.

Besonders Seminare und Tutorien „leben“ vom Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden. Wie können Lehrende trotz fehlender Anwesenheit Interaktion ermöglichen?

Meike Vogel: Lehrende sollten sich am Anfang Zeit für die Studierenden nehmen und nicht sofort mit dem fachlichen Stoff loslegen. Es ist wichtig, Regeln aufzustellen und eine grundlegende Idee des Arbeitens festzulegen. Schließlich sind auch die Studierenden diese neue Art des Arbeitens noch nicht gewöhnt. Deshalb sollten Studierende gerade in der jetzigen Situation zwischendurch nach ihrer Einschätzung zur Veranstaltung gefragt werden und gegebenfalls in die Planung von Seminaren eingebunden werden. Aufgrund eigener Erfahrungen raten wir den Lehrenden zudem, zum Beispiel das Forum oder Glossar im LernraumPlus stärker zu nutzen. Das spart oft Zeit und die gleiche Frage muss nicht 60-mal individuell per E-Mail beantwortet werden. 

Heike Rakutt: Es gilt einfach auszuprobieren, was angenommen wird und was nicht. Es bietet sich an zu reflektieren, welche Kanäle man selbst nutzt und was von den Studierenden genutzt wird und warum. Außerdem kann man Studierende in den Online-Veranstaltungen mit unterschiedlichen Rollen ausstatten, z. B. als Co-Moderator, um die Meldungen im Blick zu behalten oder um Fragen im Chat zusammenzufassen und sie so aktiv in die Veranstaltungen mit einzubeziehen. 

Meike Vogel: Auch die Rolle der Tutor*innen und Studentischen Hilfskräfte ändert sich gerade. Diese können vorab etwa die Foren checken und entsprechend Inhalte einstellen oder in den Zoom-Veranstaltungen die Fragen im Chat bündeln. Das Rektorat hat den Fakultäten Mittel für zusätzliche Hilfskräfte bereitgestellt, die Lehrende hier unterstützen können. 

Welche Chancen sehen Sie in der aktuellen Situation für eine langfristige Veränderung / Verbesserung der Lehre, auch nach Corona?

Heike Rakutt: Eine erste Hürde wurde genommen. Einige Lehrende, die noch keine Erfahrungen hatten, haben den schweren ersten Schritt in Richtung Digitale Lehre getan. Meine Hoffnung ist, dass einiges in Verbindung mit der Präsenzlehre beibehalten wird, weil es einfach gut funktioniert hat. Andere Dinge, die man besser analog machen kann, werden hoffentlich auch wieder in den Seminarraum zurückwandern. Ich glaube, dass die Mischung am Ende von Corona eine andere sein wird.

Meike Vogel: Dem würde ich komplett zustimmen. Im Moment erwartet niemand perfekte digitale Veranstaltungen und deshalb ist die Hemmschwelle, einfach mal etwas auszuprobieren, gesunken. Das finde ich sehr schön. Eine Chance liegt meiner Meinung nach auch darin, die Flexibilisierung des universitären Lernens auszuloten, ohne die Präsenz abzuschaffen. Denn da bin ich mir sicher, auf die gemeinsamen Diskussionen und Begegnungen in den Veranstaltungen werden sich Lehrende und Studierende schon jetzt sehr freuen. Vielleicht kann man sie nach dem experimentellen „Onlinesemester“ noch besser mit digitalen Phasen verknüpfen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zahlen (gerundet) & Fakten zum Start des Sommersemesters (1. Woche)

  • 3.900 Veranstaltungen im ekVv
  • 3.900 Veranstaltungen im ekVv
  • 2.500 Lernräume
  • 1.400 Moodle-Kurse die in Kursräumen verbunden sind
  • 550 Veranstaltungen, die Panopto benutzen
  • 2.060 Videos, die mit Panopto erstellt wurden
  • 1.200 Zoom-Meetings pro Tag mit bis zu 500 Teilnehmer*innen
  • 500 Teilnehmer*innen an Workshops und Veranstaltungen zum Thema „Distance Teaching and Learning“

Mehr Informationen zu Studium und Lehre: https://www.uni-bielefeld.de/themen/coronavirus/studium-und-lehre/

Das Interview wurde erstveröffentlicht im Mitarbeitenden-Newsletter uni.intern.