Rund acht Millionen Euro für zwei neue Promotionsnetzwerke


Autor*in: Linda Thomßen

Die Europäische Kommission fördert zwei neue Promotionsnetzwerke für den wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Bielefeld. In den kommenden vier Jahren untersuchen Doktorand*innen der Informatik, wie sich Genome ordnen und analysieren lassen. Doktorand*innen der Wirtschaftswissenschaften entwickeln computergestützte Methoden für die Politikanalyse in den Bereichen Klimawandel und Innovation. Die beiden Programme werden mit insgesamt rund acht Millionen Euro gefördert. Zusätzlich bewilligt wurden zwei Promotionsnetzwerke, an denen die Universität Bielefeld beteiligt ist: eins zu personalisierter Servicerobotik sowie eins zu Sozialer Arbeit.

In den Promotionsnetzwerken kooperieren Universitäten, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen. Das Ziel ist es, herausragende Doktorand*innen in strukturierter Weise innerhalb von exzellenten Forschungsvorhaben auszubilden.

Genome graphisch darstellen

In der Pangenomik vergleichen die Forschenden das Erbgut eines einzelnen Organismus mit dem Genom-Bestand aller Stämme einer Spezies. Mit dieser Methode können zum Beispiel krankheitserregende und ungefährliche Varianten eines Virus unterschieden werden. „Genome bestehen allerdings mitunter aus Milliarden von Informationseinheiten. Wir haben uns die dringende Frage gestellt, wie wir diese Datenmassen in einer rechnerisch effizienten und biomedizinisch lohnenden Weise anordnen und analysieren können“, sagt der Datenwissenschaftler Professor Dr. Alexander Schönhuth von der Technischen Fakultät und dem Centrum für Biotechnologie (CeBiTec). Er koordiniert das neue Forschungsnetzwerk „Algorithms for Pangenome Computational Analysis“ (Algorithmen für Berechnungsanalysen des Pangenoms, Kurzname: ALPACA).

Der Informatiker Prof. Dr. Alexander Schönhuth koordiniert das Forschungsnetzwerk zur Pangenomik. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

Die Europäische Kommission fördert das Programm mit 3,67 Millionen Euro. Traditionell werden die Genome als Buchstabenketten nebeneinander angezeigt. „Diese sequenzbasierte Darstellung ist aber zeitaufwendig zu analysieren, da sich Genome oft nur in relativ kleinen Buchstabenmengen unterscheiden“, sagt Schönhuth. „Dagegen erlaubt eine graphische Darstellung überflüssige Informationen zu entfernen, ohne die individuellen Unterschiede zu übergehen. Diese graphische Analyse ist ein Paradigmenwechsel in der Pangenomik.“

In dem neuen Netzwerk werden die Doktorand*innen diese graphisch basierte Darstellung von Genomen erforschen und ihr Wissen zwischen Wissenschaft und Industrie kommunizieren.

Dafür kooperiert die Universität Bielefeld mit dem Centre National de la recherche scientifique (CNRS, Frankreich), dem Institut National de Recherche en Informatique et Automatique (INRIA, Frankreich), der Universität Mailand-Bicocca (Italien), dem Centrum Wiskunde & Informatica (CWI, Niederlande), der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBl-EBI), der Comenius-Universität in Bratislava (Slowakei), dem Institut Pasteur (Frankreich), der University of Cambridge (Großbritannien) und der Firma „Geneton“ (Slowakei). Außerdem arbeitet sie mit neun Industriepartnern zusammen.

Wirtschaftspolitische Herausforderungen

„Die wichtigsten aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Europa sind durch komplexe dynamische Muster gekennzeichnet“, sagt Professor Dr. Herbert Dawid von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Der Ökonom koordiniert das neue Forschungsnetzwerk „Economic Policy in Complex Environments“ (Wirtschaftspolitik unter komplexen Rahmenbedingungen, Kurzname: EPOC). „Als Beispiel lässt sich die Suche nach geeigneten politischen Strategien zur Eindämmung des Klimawandels nennen. Eine solide Wirtschaftspolitik in solch einem Themengebiet benötigt fundierte dynamische Analysen, um die Vielschichtigkeit des Problems angemessen zu erfassen und sie so berücksichtigen zu können.“ Das Programm wird mit 3,98 Millionen Euro gefördert.

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Herbert Dawid koordiniert das Forschungsnetzwerk zur ökonomischen Modellierung. Foto: Universität Bielefeld

Die Doktorand*innen in dem neuen wirtschaftswissenschaftlichen Promotionsprogramm sollen den aktuellen Stand der Technik und die Anwendbarkeit rechenintensiver Methoden für die Entscheidungs- und Politikanalyse erweitern und sie in den Bereichen Klimawandel und Innovation anwenden. „Dafür werden sie in Data Science, Netzwerktheorie, agentenbasierter Simulation und wirtschaftswissenschaftlicher Modellierung ausgebildet und können dieses Fachwissen in ihren individuellen Forschungsprojekten anwenden“, sagt Dawid. Die akademische Ausbildung wird ergänzt durch Trainingsmaßnahmen von zehn nicht-akademischen Partner-Institutionen.

Das Konsortium besteht neben der Universität Bielefeld aus sechs weiteren Universitäten: der Universität Amsterdam (Niederlande), der Autonomen Universität Barcelona (Spanien), der Universität Kopenhagen (Dänemark), der Katholischen Universität Mailand (Italien), der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne (Frankreich) und der Universität Venedig (Italien). Jede*r Nachwuchsforschende wird von zwei Universitäten aufgenommen und schließt mit einem Doppelabschluss ab.

Beteiligt an zwei weiteren Netzwerken

Bewilligt wurden zwei weitere Promotionsnetzwerke, an denen die Universität Bielefeld beteiligt ist. Eines der Netzwerke heißt „Personalized Robotics as Service Oriented Applications“ (Personalisierte Robotik zur Anwendung in Dienstleistungen, Kurzname: PERSEO) und wird von Professorin Dr. Silvia Rossi der Universität Neapel (Italien) koordiniert. Die Bielefelder Professorin Dr. Friederike Eyssel ist mit ihrer Arbeitsgruppe „Angewandte Sozialpsychologie und Geschlechterforschung“ für die Abteilung Psychologie und das Institut CITEC beteiligt. In dem Promotionsnetzwerk sollen Informatiker*innen, Philosoph*innen und Psycholog*innen daran forschen, wie Robotertechnologien auf physischer, kognitiver und sozialer Ebene personalisiert werden können.

Das zweite Netzwerk heißt „Applying Sustainability Transition Research in Social Work tackling Major Societal Challenge of Social Inclusion“ (Anwendung nachhaltiger Transformationsforschung in sozialer Arbeit für den Umgang mit sozialer Inklusion als bedeutender gesellschaftlicher Herausforderung, Kurzname: ASTRA). Es wird von Professorin Dr. Aila-Leena Matthies Universität Jyväskylä (Finnland) koordiniert. Der Bielefelder Professor Dr. Holger Ziegler ist mit seiner Arbeitsgruppe „Soziale Arbeit“ für die Fakultät für Erziehungswissenschaft beteiligt. Die Doktorand*innen in dem Netzwerk untersuchen, wie Soziale Arbeit zu einem öko-sozialen Wandel beitragen kann, der nachhaltig wirkt und die Situation unterschiedlicher Gruppen in Europa verbessert: von jungen Menschen in prekären Lebenslangen, von Migrant*innen und lokalen Gemeinschaften, die widrigen Lebensumständen ausgesetzt sind.

Innovative Training Networks

Das EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizont 2020“ fördert die Netzwerke als Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Networks (Innovative Ausbildungsnetzwerke für den wissenschaftlichen Nachwuchs, ITN). Durch die neuen Bewilligungen ist die Universität Bielefeld an insgesamt 16 ITN beteiligt. Die Netzwerke forschen unter anderem in den Disziplinen Chemie, Erziehungswissenschaft, Informatik, Physik, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften. Fünf dieser Netzwerke leitet die Universität Bielefeld als Koordinatorin.