Bielefelder Wissenschaftspreis 2020 für Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert


Autor*in: Universität Bielefeld

Der Bielefelder Wissenschaftspreis geht in diesem Jahr an eine Pionierin der modernen Medizinethik, die Münsteraner Professorin für Medizinethik Bettina Schöne-Seifert. Der Preis wird von der Stiftung der Sparkasse Bielefeld im Gedenken an den Bielefelder Soziologen Niklas Luhmann alle zwei Jahre vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Verleihung des Bielefelder Wissenschaftspreises findet voraussichtlich im Frühsommer 2021 in Bielefeld statt.

Der Vorsitzende der Jury für den Wissenschaftspreis und Rektor der Bielefelder Universität, Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, erläutert die Entscheidung der Jury:

„Bis heute hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass sich die Moral von Ärztinnen und Ärzten wesentlich an dem aus der Antike stammenden Hippokratischen Eid bemisst. Dabei hat sich die medizinische Ethik in den letzten Jahrzehnten längst von dieser herkömmlichen Standesethik gelöst. Sie bildet eine vielfach aufgefächerte, hochprofessionelle Disziplin, die wesentlich zur Bewältigung der Probleme der modernen Medizin beiträgt. Frau Schöne-Seifert hat in diesem Prozess in Deutschland eine führende Rolle gespielt.“

Bettina Schöne-Seifert war langjähriges Mitglied des Deutschen Ethikrates und ist bis heute in zahlreichen Akademien und Kommissionen aktiv. Schon während ihres Studiums in Freiburg, Göttingen, Wien (Österreich), Los Angeles (USA) und Washington DC (USA) hat sie sich parallel mit Medizin und Philosophie auseinandergesetzt. Sie ist promovierte Ärztin und zugleich habilitierte Philosophin. In den USA lernte sie aus erster Hand die Diskussionskultur der sich damals gerade entwickelnden biomedizinischen Ethik kennen. Kennzeichnend für diese Ethik sind die Betonung sorgfältiger analytischer Argumentationen, die naturwissenschaftliche Fundierung und ihre liberale, menschenrechtlich geprägte Grundhaltung. Die Preisträgerin hat „dieses Verständnis medizinischer Ethik in Deutschland kenntnisreich und meinungsstark umgesetzt“, heißt es in der Jurybegründung.

„Ihre prägende Bedeutung für die deutsche Medizinethik liegt zum einen in ihren einflussreichen Beiträgen zu praktisch allen Debatten, die in den letzten dreißig Jahren in Deutschland geführt wurden: über Hirntod, Embryonenforschung, Sterbehilfe, Organtransplantation, Neurowissenschaften, dementielle Erkrankungen, Gerechtigkeit im Gesundheitswesen, Impfpflicht und Komplementärmedizin.“

Dabei beziehe Bettina Schöne-Seifert stets klar Position und scheue auch nicht vor öffentlichem Streit zurück, wie ihre engagierte Kritik an der Homöopathie in den letzten Jahren belege.

Zum anderen sei sie eine der führenden Theoretikerinnen des Konzepts der Autonomie von Patientinnen und Patienten in Deutschland. „Ihre Position ist dabei von einer großen Freiheitsliebe und tiefem Misstrauen gegenüber allen paternalistischen Tendenzen in der Medizinethik bestimmt“, so die Jury.

Dass die Preisträgerin sowohl Ärztin als auch Philosophin ist, merke man ihren Veröffentlichungen und öffentlichen Auftritten immer wieder an. Sie schaffe es wie kaum jemand anderes in Deutschland, die Brücke zwischen ganz konkreten Anliegen der medizinethischen Praxis und hoch abstrakten moralphilosophischen Debatten zu schlagen, ohne auf der einen oder anderen Seite Abstriche bei den professionellen Standards machen zu müssen. Dadurch habe die Preisträgerin einen einzigartigen Einfluss sowohl auf die klinische Ethik wie auf die systematische Philosophie.

Ein gutes Bild von der Breite ihrer Überlegungen vermittele auch ihr Lehrbuch „Grundlagen der Medizinethik“. Es stehe für eine weitere herausragende Eigenschaft der Preisträgerin, ihr Bemühen um die Vermittlung medizinethischer Inhalte in der Hochschullehre, an angehende Ärztinnen und Ärzte. Die Jury ist überzeugt, dass mit dem Wissenschaftspreis eine Forscherin geehrt wird, „die nicht nur ausgezeichnete medizinethische Forschungsergebnisse vorzuweisen hat, sondern auch dafür sorgt, dass diese den Menschen unmittelbar zugutekommen.“

Informationen zum Bielefelder Wissenschaftspreis:
Die Jury des Bielefelder Wissenschaftspreises

Der Bielefelder Wissenschaftspreis in Kürze:

  • Seit 2004 verliehen durch die Stiftung der Sparkasse Bielefeld im Gedenken an Niklas Luhmann, in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Bielefeld und der Universität Bielefeld.
  • Für die Stiftung der Sparkasse ist der Preis ein wichtiges Element ihres Förderschwerpunktes „Wissenschaft und Forschung“, mit dem sie ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des Hochschulstandortes Bielefeld leisten möchte.
  • Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre verliehen.
  • Er richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland, insbesondere aus den Gesellschafts-, Sozial- und Lebenswissenschaften.
  • Über die Preisträger entscheidet eine Jury, die sich aus namhaften Persönlichkeiten zusammensetzt. Den Vorsitz hat Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer (Rektor Universität Bielefeld). Die weiteren Jurymitglieder sind:
    Prof. em. Dr. Dieter Grimm (Humboldt-Universität zu Berlin), Prof’in em. Dr. Bettina Heintz (Universität Luzern); Prof’in Dr. Ulrike Davy (Universität Bielefeld), Prof’in Dr. Julia Fischer (Universität Göttingen), Dr. Thomas Assheuer (Wochenzeitung „Die Zeit“). Beratende Mitglieder: Pit Clausen (Oberbürgermeister Stadt Bielefeld), Michael Fröhlich (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bielefeld und ihrer Stiftung).

Preisträger 2004 bis 2018

Bisherige Preisträger des Bielefelder Wissenschaftspreises waren:
2004 die deutschen Soziologen Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf
2006 der amerikanische Rechtsphilosoph Ronald Dworkin
2008 der englische Historiker Quentin Skinner
2010 der deutsche Soziologe Hans Joas
2012 der österreichische Psychologe Josef Perner
2014 die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston
2016 der französische Historiker Pierre Rosanvallon
2018 die deutsche Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger