Die unterschätzte Dynamik der Vormoderne
Bevor die Weltgeschichte in der Moderne Fahrt aufnahm und sich das Leben immer schneller wandelte, gab es eine lange Phase, in der sich nichts veränderte: Das ist die gängige Interpretation der sogenannten Vormoderne, der Zeit zwischen dem Mittelalter und etwa dem Jahr 1700. Bei der Online-Tagung „Veränderung aus sich selbst heraus – Eigendynamik in vormodernen Gesellschaften“, die vom 28. bis zum 30. Januar stattfindet, nehmen Forschende diese Sicht kritisch unter die Lupe. Ihre These: Statt eines Stillstandes hat eine ganz eigene, in den gesellschaftlichen Strukturen selbst angelegte Dynamik die Vormoderne geprägt.
„Die vormodernen Gesellschaften weisen weltweit Elemente auf, die aus sich heraus für ständigen Wandel sorgten“, so der Historiker Professor Dr. Franz-Josef Arlinghaus von der Universität Bielefeld, der die Konferenz mit seinem Fachkollegen Professor Dr. Andreas Rüther (ebenfalls Universität Bielefeld) und dem Japanologen Professor Dr. Jörg B. Quenzer (Universität Hamburg) leitet.

Anders als der rasche Wandel in der Moderne, habe sich der vormoderne Wandel auf eine spezifische Weise vollzogen und dazu geführt, dass die Gesellschaften komplexer wurden, sagt Arlinghaus. In diesem Prozess habe sich die hierarchische Ordnung der Ständegesellschaft fortwährend neu austariert und die Abgrenzung zwischen Familien- und Personenverbänden, etwa den Zünften, sei immer wieder neu gezogen worden. „Dies alles fand weitgehend unter den Bedingungen einer Präsenzgesellschaft statt, die zwar Schrift und Druck kannte, aber in anderer Weise nutzte als heute“, so der Historiker. Diese Prozesse führten dann zur Neubildung von Gruppierungen und Ständen und zu immer raffinierteren Formen der Grenzziehung zwischen ihnen, erklärt Arlinghaus. Der Historiker befasst sich auch in dem Sonderforschungsbereich „Praktiken des Vergleichens“ (SFB 1288) mit der Vormoderne und untersucht, wie sich Menschen als Individuen ab dem 11. Jahrhundert mit anderen Menschen verglichen haben.
Die Eigendynamik der Vormoderne sei auch ein Merkmal, das ganz unterschiedliche Gesellschaften weltweit in dieser langen Epoche verbinde. Nach 1700 habe es dann eine vergleichsweise rasche Umgestaltung zur Moderne gegeben. „Es geht nicht darum, die Vorgeschichte der Moderne zu schreiben, sondern darum, den ganz eigenen Wandel in der Vormoderne zu analysieren“, sagt Andreas Rüther. „Das würde auch ein neues Licht auf das Verhältnis von Moderne und Vormoderne werfen.“
Auf der Tagung diskutieren Expert*innen, die zum vormodernen Äthiopien, China, Indien, Japan, Korea und Mitteleuropa arbeiten, über diesen neuen Ansatz.
Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dafür ist eine Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de erforderlich. Journalist*innen sind herzlich eingeladen, über die Tagung zu berichten. Die Tagungssprache ist Englisch.
Weitere Informationen:
Website der Tagung
Wie interkulturelle Konflikte in Großstädten gelöst werden
Durch Migration hat über die Jahrzehnte die Vielfalt an Kulturen in Großstädten zugenommen. Welche Chancen, Probleme und Konflikte ergeben sich aus dieser Vervielfältigung der Vielfalt? Das erforscht das Verbundprojekt „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“. Es untersucht in Dortmund, Bonn und Magdeburg, wie soziale Gruppen in von Migration geprägten Stadtteilen zusammenleben. Das Projekt wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld koordiniert. Kooperationspartner sind das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität Berlin. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert die Forschung bis 2022 mit rund einer Million Euro.
In der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik gab es zwei Migrationsbewegungen: die der Gastarbeitenden und die der Geflüchteten. „Durch diese neuen Einwohner*innen ist insbesondere in den Städten die Anzahl an interkulturellen Begegnungen stark angestiegen und es gibt mehr kulturell unterschiedliche Gruppen im öffentlichen Raum“, sagt Dr. Jörg Hüttermann vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). „Es sind neue Formen von interkulturellem Miteinander entstanden. Die kulturelle Vielfalt in Schulen und Unternehmen und weiteren Organisationen nimmt zu“, erklärt der Migrationssoziologe.
Jörg Hüttermann ist fachlicher Leiter des neuen Projekts „Neuaushandlung lokaler Ordnungen“, das er mit seinen Kollegen Johannes Ebner und Denis van de Wetering initiiert hat. „Als Ballungszentren spielen Städte mit Blick auf interkulturelle Begegnungen eine besondere Rolle“, sagt Hüttermann. „In den Stadtquartieren leben Menschen in einer hohen Dichte zusammen – entsprechend hoch ist die Dichte der interkulturellen Begegnungen und Konfrontationen.“
Ob Sprache, politische Ansichten oder die Art und Weise, wie Religion ausgelebt wird: „Mit neu hinzukommenden Menschen gelangen neue Überzeugungen und Werteorientierungen in die Gesellschaft“, sagt Denis van de Wetering, Konfliktforscher am IMIS der Universität Osnabrück und assoziierter Wissenschaftler am IKG der Universität Bielefeld. „Dadurch werden etablierte Vorstellungen mit den neuen Vorstellungen konfrontiert. Wir gehen im Projekt der Frage nach, wie die damit verbundenen Konflikte gelöst werden.“

Wird ein Konflikt destruktiv ausgetragen, kann es unter anderem zu verbaler oder physischer Gewalt gegen Personen kommen. Werden die Konflikte konstruktiv gelöst, kann das dazu führen, dass sich kulturell unterschiedliche Gruppen einander angleichen oder sich miteinander arrangieren. „Das zeigt sich zum Beispiel dann, wenn Menschen mit Migrationshintergrund in politischen Gremien vertreten sind, wenn Schulen auch Unterricht in der Muttersprache eingewanderter Gruppen anbieten, aber auch wenn Probleme in der Nachbarschaft geklärt werden“, erklärt der Soziologe Johannes Ebner vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung.
„Wir wollen in unserem Projekt Maßnahmen entwickeln, mit denen sich der Zusammenhalt in den Quartieren stärken lässt. Deshalb wollen wir herausfinden, wie die beteiligten Gruppen ihre interkulturellen Konfrontationen lösen und welche Rahmenbedingungen darauf einwirken“, sagt Denis van de Wetering. Einen ersten Ansatz zur Verbesserung des Zusammenhalts haben die Forschenden bereits gefunden: „Vorstudien zum neuen Projekt weisen darauf hin, dass das interkulturelle Zusammenleben in Städten stark von staatlichen und behördlichen Maßnahmen beeinflusst wird“, sagt Jörg Hüttermann. „Es zeigt sich allerdings, dass in der Planung solcher Maßnahmen momentan kaum die Perspektive der betroffenen Migrant*innen berücksichtigt wird. Sie stellen einen möglichen Ansatzpunkt dar, um das interkulturelle Miteinander zu verbessern.“
Ziel der Forschenden ist es, zu ermitteln, wie Gruppen ihre Konfrontationen in Städten selbstständig aushandeln. „Wenn wir verstehen, welche Faktoren die Aushandlungen positiv beeinflussen, können diese künftig in der Stadtplanung berücksichtigt werden“, sagt der Konfliktforscher van de Wetering. Dafür konzentrieren sich die Wissenschaftler*innen vor allem auf zwei Schwerpunkte: Sie untersuchen die städtische Wohnsituation von Migrant*innen und sie erheben, wie stark die kulturelle Vielfalt in den untersuchten Stadtquartieren ausgeprägt ist. Um die Lebenswelten der Stadtteilbewohner*innen zu erforschen, greifen die Forschenden auf ethnographische Methoden zurück. Für ihre Analyse vergleichen sie von Migration geprägte Stadtteile in Dortmund, Bonn und Magdeburg.
Der vollständige Titel des Forschungsprojekts ist „Neuaushandlung lokaler Ordnungen: Migrations-induzierte Vielfalt, Intergruppenbeziehungen, Konflikte und Integrationsdynamiken im Stadtteil“. Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt Migration und Sozialer Raum der Forschungsgemeinschaft des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).
Weitere Informationen:
Steckbrief zum Projekt
Wie sich Metallatome auf einem Isolator ordnen können
Um in Zukunft winzig kleine elektronische Speicher oder Sensoren herzustellen, ist es entscheidend, einzelne Metallatome auf einer isolierenden Schicht anordnen zu können. Wissenschaftler*innen der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld haben nun nachgewiesen, dass dies bei Zimmertemperatur gelingt: Moleküle der metallhaltigen Verbindung Molybdänacetat bilden auf dem Isolator Calcit eine geordnete Struktur, ohne an andere Positionen zu springen oder sich zu drehen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler*innen heute (21.12.2020) im Fachmagazin Nature Communications. Die Arbeit ist in Kooperation mit Forschenden der Universitäten Kaiserslautern, Lincoln (Großbritannien) und Mainz entstanden.
Jetzt mitmachen: FameLab sucht junge Wissenschaftler*innen
Wissenschaftsthemen in wenigen Minuten mitreißend erklären: Darum geht es beim internationalen FameLab-Wettbewerb für junge Wissenschaftler*innen. Für den Vorentscheid am 8. März 2021 werden Forschende gesucht, die ihre Themen spannend präsentieren. Teilnehmen können Masterstudierende, Promovierende und Wissenschaftler*innen ab 21 Jahren, die in den Bereichen Naturwissenschaft, Technik, Mathematik, Informatik, Psychologie oder Medizin forschen, studieren oder arbeiten. Bis zum 22. Februar können sich Interessierte online anmelden.
Beim FameLab haben die Teilnehmer*innen genau drei Minuten Zeit, um ein naturwissenschaftliches Thema sachlich richtig und unterhaltsam zu erklären. Dabei sind alle Hilfsmittel erlaubt, die am Körper getragen werden können – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
In Bielefeld und weiteren Städten im gesamten Bundesgebiet finden zunächst Vorentscheide statt. Die Sieger*innen der Vorrunde qualifizieren sich für das Deutschlandfinale am 22. April. Die Teilnahme lohnt sich: Wer mitmacht hat nicht nur Gelegenheit, Kontakte zu engagierten Nachwuchswissenschaftler*innen zu knüpfen und die öffentliche Aufmerksamkeit für die eigenen wissenschaftlichen Themen zu gewinnen. Die drei Finalist*innen des Vorentscheids in Bielefeld erhalten außerdem attraktive Preise. Unter anderem erhalten die beiden Erstplatzierten einen zweitägigen Workshop zur Wissenschaftskommunikation in Berlin.
Das Wissenschaftsbüro von Bielefeld Marketing ist bundesweiter Partner des FameLab-Wettbewerbs, der inzwischen in rund 35 Ländern weltweit ausgetragen wird. Seit der Gründung 2005 hat es sich zu einem internationalen Wettbewerb in der Wissenschaftskommunikation entwickelt. Das FameLab in Bielefeld wird unterstützt durch die Goldbeck GmbH, die Volksbank Bielefeld-Gütersloh sowie die Universität Bielefeld.
Termine
FameLab Germany: Vorentscheid Bielefeld
Zeit: Montag, 8. März 2021, um 19 Uhr
Ort: Stadthalle Bielefeld (Willy-Brandt-Platz 1, 33602 Bielefeld)
FameLab Germany: Finale
Zeit: Donnerstag, 22. April 2021, um 19 Uhr
Ort: Rudolf-Oetker-Halle, Bielefeld (Lampingstraße 16, 33615 Bielefeld)
Erfolge beim FameLab 2020
Beim FameLab 2020 qualifizierte sich Niklas Hoffmann für das Finale. Der 26-Jährige forscht an der Universität Bielefeld im Fach Biologie.
Gewinnerin des FameLab 2020 wurde Nicola Ganter wurde mit ihrem Vortrag „Pimp my Part“. Anschaulich erklärt sie ihre Forschung und Arbeit am Institut für Produktentwicklung (iPEG) der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.
Covid-19-Debatten und andere Online-Diskussionen mithilfe von Bots vielseitiger machen
Bots stehen als Programme, die automatisiert mit Nutzerinnen in Verbindung treten, oft in der Kritik. So werden sie genutzt, um in sozialen Medien Falschinformationen zur Covid-19-Pandemie zu verbreiten. Welchen Einfluss haben Bots aber genau und wie lassen sich Diskussionen beeinflussen, in denen sie aktiv sind? Für ein interdisziplinäres Projekt, das sich mit dieser Frage befasst, gibt es nun eine Förderung der Volkswagenstiftung in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro, verteilt auf vier Jahre. Für die Forschung, an der Informatikerinnen, Soziologinnen und Psychologinnen mitwirken, kooperieren Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld, der Fachhochschule Bielefeld, des Trinity College in Dublin (Irland) und der National University of Australia in Canberra (Australien).
Das Projekt heißt „Bots Building Bridges“ (3B, auf Deutsch: Roboter, die Brücken bauen). Professor Dr. Philipp Cimiano vom Institut CITEC der Universität Bielefeld leitet zusammen mit Dr. Ole Pütz eines der Projektteams, Professorin Dr. Elena Esposito und Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie leiten das zweite Projektteam, das an der Universität Bielefeld angesiedelt ist.
Hintergrund des Projekts ist die Erkenntnis, dass Bots erhebliche Wirkung entfalten können, wenn es ihnen gelingt, Meinungen zu beeinflussen. „Sie können zum Beispiel dazu führen, dass ein Thema überhaupt als relevant wahrgenommen wird, indem Bots Tweets massiv teilen“, erläutert Professor Dr. Philipp Cimiano vom Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC), Leiter der Forschungs-gruppe Semantische Datenbanken. Er forscht nicht nur im aktuellen Projekt zu Bots, sondern leitete auch das Vorgängerprojekt Unbiased Bots That Build Bridges (U3B, auf Deutsch: Unparteiische Roboter, die Brücken bauen.)

Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller
Bots als Verbreiter von Fake News
Hat da eigentlich gerade ein Mensch kommentiert – oder eine Maschine? Manchmal ist das gar nicht so einfach zu unterscheiden: Es gibt automatisierte Programme, die im Internet mit Nutzer*innen in Verbindung treten und beispielsweise Nachrichten verbreiten können. Solche Computerprogramme werden als Bots bezeichnet. Diese Meinungsroboter sind speziell dafür entwickelt, in sozialen Netzwerken zu agieren.
Die Programme stehen deshalb oft in der Kritik – so sollen sie beispielsweise bei den vergangenen beiden Präsidentschaftswahlen in den USA die öffentliche Meinung beeinflusst haben. Aber womöglich könnten Bots auch auf positive Weise zur Meinungsbildung beitragen. „Das Gesamtprojekt hat das Ziel, zu analysieren, ob wir Bots nicht auch als eine Lösung ansehen könnten“, erläutert Cimiano. Dafür wollen die Forschenden nun eigens programmierte Bots einsetzen, die den Diskurs beleben und bei strittigen Themen Argumente liefern. Dafür ist es für die Forschenden zunächst einmal wichtig, Bots überhaupt als solche zu erkennen. So können Bots beispielsweise dadurch auffallen, dass sie in regelmäßigen Abständen posten oder bei ihren Inhalten und Ausdrücken nur wenig variieren.
Mit Bots Forschungsbefunde zu Covid-19 in Diskussionen tragen
Im aktuellen Projekt geht es nun darum, mit den eigens programmierten Bots aktiv in den Diskurs einzugreifen. Als Untersuchungsfeld dienen dazu die sozialen Netzwerke Twitter und Reddit. „Wir überlegen aktuell, ob wir uns thematisch auf Covid-19 konzentrieren“, sagt Cimiano. Zu diesem Thema gebe es viele Falschinformationen und Verschwörungserzählungen – und es polarisiere stark. Die Forschenden wollen Accounts sowie Diskussionen identifizieren, bei denen bestimmte Schlüssel-begriffe übermäßig stark auftauchen. „Unser Ziel ist es, eine neutrale Sichtweise zu schaffen und Argumente dafür zu liefern, dass man etwas auch anders sehen könnte“, erläutert der Informatiker. „Wir wollen nicht sagen, wie etwas ist, sondern die Nutzer*innen dazu animieren, Dinge zu hinterfragen.“

Beim Thema Impfungen, das auch bei Covid-19 gerade aktuell ist, taucht beispielsweise schon seit Jahren immer wieder die Behauptung auf, dass Impfen Autismus auslösen könne. „Ein Bot könnte in dem Fall auf Forschungsergebnisse verweisen, die diese Theorie widerlegen“, erläutert Cimiano. Wichtig sei es, auf Quellen zu verweisen. Ebenfalls ein entscheidender Punkt: Der Bot der Forschenden würde sich immer als solcher zu erkennen geben und offen agieren. Damit unterscheidet er sich von den Bots, die verdeckt aktiv sind. „Alles andere wäre unethisch.“
Wie Bots agieren, haben die Forschenden bereits in dem vorangegangenen Projekt U3B analysiert. Nun wird es darum gehen, Inhalte und Diskurse weiter zu erforschen. „Außerdem führen wir qualitative Analysen durch, bei denen wir untersuchen, was für Typen von Bots es gibt und welche Kommunikationsstrategien diese nutzen“, sagt Privatdozent Dr. Florian Muhle von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Damit wollen die Wissenschaftler*innen die Möglichkeit verbessern, Bots automatisch zu erkennen.
„Wir wollen mit unserem Projekt aber nicht nur die Aktivitäten von sozialen Bots aufdecken, sondern Werkzeuge entwickeln, die von menschlichen Nutzer*innen genutzt werden können, um die Debattenkultur im Internet zu verbessern,“ erklärt Dr. Ole Pütz, Mitarbeiter in Cimianos Forschungsgruppe. Die Wissenschaftlerinnen setzten dabei auch auf Kooperationen mit NGOs. „Wir glauben, dass Bots Teil der Lösung sein können, aber noch wichtiger sind die Menschen selbst, die sich an Debatten beteiligen.“
Muttermilchversorgung von Frühgeborenen verbessern
Ein neues interdisziplinäres Forschungsprojekt soll den Effekt der Versorgung von Frühgeborenen mit Muttermilch möglichst genau messen – in Zusammenarbeit mit zwölf teilnehmenden Krankenhäusern. Langfristiges Ziel des Projekts mit dem Namen NEO-Milk: Zugang zu Muttermilch ab dem ersten Lebenstag für jedes Frühgeborene unter 1.500 Gramm. Die Forschungsgruppe von Professorin Dr. Friederike Eyssel am Institut CITEC der Universität Bielefeld ist an dem Projekt beteiligt. Geleitet wird NEO-Milk vom Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln. Das Projekt startet zum 1. Januar 2021. Es wird für vier Jahre mit insgesamt rund 4,7 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds der Bundesregierung gefördert. Neben einer Vielzahl an wissenschaftlichen und klinischen Kooperationspartnern sind auch Krankenkassen an dem Projekt beteiligt.
„Besonders für frühgeborene Kinder ist Muttermilch wichtig – auch, weil sie dazu beiträgt, gefährliche Erkrankungen zu verhindern“, sagt Professorin Dr. Friederike Eyssel, Forscherin am Institut CITEC und der Abteilung für Psychologie. Sie leitet die Forschungsgruppe Angewandte Sozialpsychologie und Geschlechterforschung. „Trotz Stillbetreuung im Krankenhaus und mit Beratungsangeboten führen unterschiedliche Faktoren dazu, dass manche Mütter nicht oder nur kurze Zeit stillen. Deswegen erforschen wir in dem neuen Projekt zum Beispiel, was dazu führt, dass Mütter stillen oder eigene Muttermilch für andere Kinder zur Verfügung zu stellen.“
Dafür soll unter anderem ermittelt werden, welche psychologischen Faktoren voraussagen, ob Mütter ihre Neugeborenen stillen oder darauf verzichten. „Ob eine Mutter stillt, hängt zum Beispiel damit zusammen, wie sehr sie sich an als typisch wahrgenommenen Geschlechtsrollen orientiert“, sagt Dr. Ricarda Wullenkord, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Eyssels Forschungsgruppe. Die Sozialpsychologin wird in dem neuen Projekt erforschen, welche persönlichen Einstellungen die Stillbereitschaft und das Stillverhalten voraussagen können. Sie arbeitet zudem an einem Stillförderkonzept mit, das in den teilnehmenden Krankenhäusern erprobt und evaluiert werden soll.

„Außerdem entwickeln wir im Projekt eine App“, sagt Friederike Eyssel. „Die App soll Mütter von Frühgeborenen künftig über das Stillen informieren und ihnen helfen, mühelos zu erfassen, wie oft sie ihr Kind stillen und wie die Milchproduktion zu- oder abnimmt. Für die App berücksichtigen wir auch sozialpsychologische Aspekte, indem wir die Nutzerinnen zum Beispiel fördern, die eigene Selbstwirksamkeit wahrzunehmen.“
In dem Projekt Neo-Milk werden Wissenschaftler*innen unter anderem 2.700 Mütter von Frühgeborenen auf neonatologischen Intensivstationen (Frühgeborenenstationen) nach ihren Erfahrungen und Bedürfnissen befragen. Das Stillförderungskonzept soll im Anschluss entwickelt werden, ebenso die App für Mütter von Frühgeborenen. Das Projekt sieht ebenfalls Schulungen der Pflegekräfte und Ärzt*innen vor.

Nach den Vorarbeiten werden ab 2022 das Stillförderungskonzept und die Muttermilchbanken an zwölf beteiligten Perinatalzentren starten. Solche Zentren sind für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen zuständig. Zwei Jahre lang wird der Einsatz des Versorgungskonzeptes wissenschaftlich beobachtet und begleitend evaluiert. Die Forscher*innen erfassen Daten über den Anteil der Kinder, die bei der Entlassung mit Muttermilch ernährt werden. Sie analysieren das Spende- und Stillverhalten der Mütter. Auch untersuchen sie, wie Muttermilchbanken genutzt werden.
In Deutschland kommen jedes Jahr circa. 10.500 Frühgeborene mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht zur Welt. Sie sind in besonderem Maße von Komplikationen betroffen, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder zum Tod führen können. Stillförderung ist ein Schlüsselelement, um Frühgeborene bestmöglich zu versorgen. Muttermilch ist gerade für frühgeborene Kinder essenziell, zum einen für die Verhinderung vital bedrohlicher Infektionen wie beispielsweise die nekrotisierende Enterokolitis (NEC), eine häufig akute Erkrankung des Magen-Darm-Traktes. Zum anderen ist sie für die Prägung des Immunsystems und die kognitive Entwicklung entscheidend.
Muttermilchbanken existieren weltweit seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Während die DDR an dem Konzept der Humanmilchbanken festhielt, wurden sie in Westdeutschland im Laufe der Jahrzehnte abgeschafft. Neben vielen Faktoren war eine Ursache dafür das Aufkommen der industriell gefertigten Formula-Nahrung. Auch wenn sich wieder ein Trend in Richtung der Muttermilch abzeichnet: Aktuell findet in Deutschland weder eine strukturierte Stillförderung statt, noch ist für Frühgeborene der Zugang zu Muttermilch in der Breite gewährleistet. So sind momentan etwa 30 Muttermilchbanken in Betrieb, es existieren jedoch alleine mehr als 200 Perinatalzentren (Level 1), in denen Früh- und Neugeborene versorgt werden.
Nach Projektende bewertet die Förderinstitution die Ergebnisse und entscheidet auf Basis der erarbeiteten rechtlichen und strukturellen Grundlagen über die bundesweite Etablierung von Muttermilchbanken.
Universität Bielefeld kooperiert mit Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS)
Die Universität Bielefeld und das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. in Dortmund haben eine Kooperationsvereinbarung über die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre geschlossen. Die Partner möchten sich auf den Gebieten Bioinformatik, Bioanalytik und Biomedizin strategisch ergänzen. Als Erstes wird jetzt eine gemeinsame Juniorprofessur für mehrdimensionale Omics-Analysen ausgeschrieben. Die Professur ist in der Bioinformatik angesiedelt und soll an Methoden zur Analyse und Visualisierung von Messdaten arbeiten, die auf genomischer Ebene Einblick in den Menschen gewähren. Gemeinsames Ziel ist es, einen Beitrag zur personalisierten Medizin zu leisten.
Um zu verstehen, wie Erkrankungen entstehen oder Krankheitsmechanismen funktionieren, bedarf es einer ganzheitlichen Darstellung verschiedener molekularer Zusammenhänge. So geben mehrdimensionale Analysen bei einer Probe zeitgleich Aufschluss über die Menge, Art, den Zeitpunkt und Ort von etwa Proteinen, Lipiden oder Metaboliten. „Multi-Omics-Analysen sind eine Kernexpertise unseres Instituts und ein wichtiger Bestandteil der biomedizinischen Forschung. Wir freuen uns daher sehr, mit dieser Juniorprofessur die Forschung, beispielsweise bei der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in der Region ausbauen zu können“, sagt Professor Dr. Albert Sickmann, ISAS-Vorstandsvorsitzender.

Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, der Rektor der Universität Bielefeld: „Ich bin hoch erfreut, dass uns diese Kooperation in der Bioinformatik gelungen ist. Sie ergänzt hervorragend unsere bisherigen Initiativen auf diesem Gebiet, wie zum Beispiel das Deutsche Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur – de.NBI –, das von Bielefeld aus gesteuert wird.“
Die Juniorprofessur wird mit einer Arbeitsgruppe in der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld ansässig sein. Zeitgleich wird sie eine Forschungsgruppe am ISAS in Dortmund aufbauen. Professor Dr. Markus Nebel, Dekan der Fakultät und gleichzeitig Bioinformatiker, erklärt die Vorteile dieses Konstrukts: „Diese Professur wird sich speziell mit den einzelnen Gebieten der molekularbiologischen Datenanalyse beschäftigen (Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik). Dabei kann sie direkten Bezug zu Anwendern in der Universität aus Biotechnologie und Biologie sowie dem ISAS herstellen.“ Geplant ist, die Professur und die Kooperation dauerhaft fortzuführen.
Über das ISAS
Das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V. entwickelt leistungsfähige und wirtschaftliche Analyseverfahren für die Gesundheitsforschung. Mit seinen Innovationen trägt es dazu bei, die Prävention, Frühdiagnose und Therapie von Krankheiten zu verbessern. Ziel des Instituts ist es, die personalisierte Therapie voranzutreiben. Dafür kombiniert das ISAS Wissen aus Chemie, Biologie, Pharmakologie, Physik und Informatik. Das Institut arbeitet eng mit Universitäten im In- und Ausland zusammen, etwa durch gemeinsame Berufungen. Außerdem kooperiert es mit nationalen und internationalen Partnern aus der Wissenschaft und Industrie. Das ISAS wurde 1952 gegründet und beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter*innen.
Über die Universität Bielefeld
Die Universität Bielefeld ist eine forschungsstarke Universität in Nordrhein-Westfalen. Sie ist etwa 120 Kilometer vom ISAS in Dortmund entfernt. In ihrem Anspruch heißt es: „Unsere Forscher*innen überwinden Grenzen – zwischen Disziplinen, zwischen Menschen und zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Der Grundsatz ‚Transcending Boundaries‘ ist Antrieb für grundlagenorientierte Spitzenforschung auf internationalem Niveau.“
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Was Rassismus für die Identität von Gesellschaften bedeutet
Zu jeder Nation gehört die Vorstellung, dass ihre Mitglieder durch bestimmte Gemeinsamkeiten verbunden sind. Die Nation erscheint als eine Gemeinschaft von Menschen – und das obwohl sich diese Menschen persönlich zum größten Teil nie begegnen werden. Welche Bedeutung haben Rassismus und Rassekonstruktionen für die Identität von nationalstaatlich verfassten Gesellschaften? Das diskutieren Wissenschaftler*innen am 17. und 18. Dezember auf der interdisziplinären Online-Tagung „Rasse und das Imaginäre von Gesellschaft im Zeitalter der Migration“. Die Konferenz wird vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld organisiert.

Wer zu einer Gesellschaft gehört und wer „anders“ ist, sei vor allem das Ergebnis von Vorstellungen, die gepflegt, und von Geschichten, die erzählt werden, sagt Professor Dr. Paul Mecheril, der an der Universität Bielefeld Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Migration lehrt. Er leitet die Online-Tagung Mitte Dezember.
Die Vorstellungen zur Zugehörigkeit bekommen Mecheril zufolge in einer Zeit zunehmender Migration eine konkrete Bedeutung: „Die nationalstaatliche Ordnung ist darauf angewiesen, Fragen der Zugehörigkeit zu beantworten, zu klären, wer Bürger*in eines Landes ist und wer nicht. Und diese Bestimmung und Vorstellung des Eigenen stabilisiert sich durch den Bezug auf die erdachten und phantasierten Anderen“, sagt der Forscher.
„Auf unserer Tagung möchten wir aus dem Blickwinkel der Rassismus-Theorie auf das Imaginäre von Gesellschaft schauen“, so Paul Mecheril. Zwar habe sich die deutsche und die europäische Gesellschaft schon lange den Antirassismus auf die Fahnen geschrieben. Auch seien sich Wissenschaftler*innen längst einig, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Dennoch spielen Rassekonstruktionen laut Mecheril immer wieder eine Rolle, wenn es darum geht, die Zugehörigkeit und Identität von Menschen zu definieren.
Um der Rolle nachzugehen, die Rassekonstruktionen bei der Konstruktion von deutscher und europäischer Identität zukommt, wird es auf der Tagung neben Vorträgen vor allem moderierte Zweiergespräche zwischen den 20 Wissenschaftler*innen geben. In den Gesprächen soll deutlich werden, wie Forschende aus Disziplinen wie Migrationsforschung, Pädagogik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte, Germanistik, Kulturanthropologie und Politikwissenschaft das Thema Migration angehen.
Ebenfalls auf dem Programm: Eine Lesung der Autorin und Rassismusforscherin Pasquale Virginie Rotter und eine Performance der Künstlerin Soyong Ki.
Die Tagung ist die erste des neuen Arbeitsbereichs Migration der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld und ist als Startschuss einer mehrjährigen Forschungskooperation geplant.
Für Interessierte ist eine Teilnahme an der Online-Tagung möglich. Dazu wird um Anmeldung im ZiF-Tagungsbüro bei trixi.valentin@uni-bielefeld.de gebeten. Die Tagungssprache ist Deutsch.
Weitere Informationen
Website der Tagung mit Programm und Link zur Teilnahme
Universität Bielefeld kauft Gebäude für die Medizinische Fakultät OWL
Die Universität Bielefeld hat ein Büro- und Laborgebäude von der BGW Bielefelder Gesellschaft für Wohnen und Immobiliendienstleistungen mbH und der Innovationszentrum Campus Bielefeld GmbH gekauft. Seit 1. Dezember ist die Universität Bielefeld offizielle Besitzerin des Gebäudes. Es wurde bereits seit 2018 hauptsächlich von der Medizinischen Fakultät OWL genutzt. Das zuvor als ICB bekannte Gebäude heißt jetzt R.1, gemäß der neuen Logik der Medizingebäudenamen an der Morgenbreede und Konsequenz.
Dr. Stephan Becker, der Kanzler der Universität: „Die Universität ist Stadt und BGW dankbar, dass wir schnell und unkompliziert eine nachhaltige Lösung für den ersten größeren Raumbedarf der schnell wachsenden Medizinischen Fakultät gefunden haben. Das Gebäude bietet mit seinen Laboren und Büros alles, was die Fakultät aktuell benötigt. Ein glücklicher Umstand für den ambitionierten Aufbauprozess.“
Sabine Kubitza, Geschäftsführerin der BGW: „Wir freuen uns, dass wir durch den Verkauf des ICB dazu beitragen konnten, die räumlichen Voraussetzungen für den Start der Medizinischen Fakultät zu schaffen und somit einen kleinen Beitrag für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in OWL leisten können.“
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hatte im Sommer 2017 die Gründung der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld beschlossen. Bereits im November 2018 konnte die Universität das sich noch im Bau befindliche Gebäude teilweise mieten. Im Juli 2019 wurde das ICB offiziell eröffnet.
Das Gebäude an der Morgenbreede, Ecke Voltmannstraße fällt architektonisch durch die abgerundete Ecke auf. Das vierstöckige Gebäude mit Tiefgarage hat 7.144 Quadratmeter Hauptnutzfläche, etwa die Hälfte sind Büros, die andere Hälfte Labore. Es besteht aus vier Gebäudeteilen mit einem zentralen Empfang.
Aktuell nutzt die Medizinische Fakultät das Gebäude. Neben der Fakultätsverwaltung haben die ersten berufenen Professorinnen die Räumlichkeiten bereits bezogen, Forschungsflächen werden derzeit ausgestattet. In Zukunft werden in dem Gebäude, neben Büros und Forschungsflächen, auch ein Studierendenhospital zur Erlernung praktischer Fähigkeiten im Studium, Praktikumsflächen für Medizinstudierende und weitere Seminarräume eingerichtet.
Weitere Informationen:
Campus Süd: Der aktuelle Stand der Baumaßnahmen (Nr. 70/2020), PM vom 8. Oktober 2020
Innovationszentrum Campus Bielefeld
Tag für Absolvent*innen: Online-Event mit Überraschungspost
Die Universität Bielefeld feiert den Tag für Absolvent*innen und würdigt damit die Studierenden, die 2020 erfolgreich ihr Studium beendet haben – auch in diesem besonderen Jahr. Am Freitag, 4. Dezember, kommt der feierliche Abend als Online-Event zu den Absolvent*innen nach Hause. Neben dem Livestream mit Absolvent*innen-Quiz, Singer-Songwriter-Musik von Lotte und Poetry-Slam freuen sich die Absolvent*innen auf ihre Überraschungspakete. Die Universität verschickt Pakete an rund 2.000 angemeldete Absolvent*innen. Das Online-Event ist am 4. Dezember als Livestream zu verfolgen unter www.uni-bielefeld.de/tag-fuer-absolvent_innen.
„Ich möchte unseren diesjährigen Absolvent*innen herzlich zu ihrem Studienabschluss gratulieren. Rund 3.000 junge Menschen haben in diesem herausfordernden Jahr ihr Studium erfolgreich bei uns abgeschlossen, darauf können sie stolz sein. Wir möchten die Leistungen unserer Absolvent*innen – auch ohne die Möglichkeit vor Ort zu feiern – mit einem spannenden Alternativangebot würdigen“, sagt Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld.
Das Online-Event wird am 4. Dezember ab 20 Uhr live aus der leeren Uni-Halle übertragen. Moderator des Abends ist Sven Stickling, Alumnus der Universität Bielefeld und bekannt von „Die Stereotypen“ (Anmerkung der Redaktion (7. Dezember 2020): Marvin Meinhold hat die Moderation des Abends übernommen). Er begrüßt neben Rektor Gerhard Sagerer vier diesjährige Absolvent*innen. Die Vertreter*innen des Abschlussjahrgangs 2020 stellen sich in einem Quiz ihrer „letzten Prüfung“ des Studiums. Dabei beantworten sie Fragen rund um ihr Studierendenleben und die Universität. Gewinnen können sie einen Gutschein eines Einrichtungshauses und einen Preis für ihre Fachschaft.

Musikalischer Höhepunkt des Abends ist der Live-Auftritt von Singer-Songwriterin Lotte, bekannt von Songs wie „Auf das was da noch kommt“ und „Mehr davon“. Außerdem tritt Kolja Fach, in Bielefeld geborener Poetry-Slammer, auf. Im Vorfeld des Online-Events am 4. Dezember verabschieden viele Fakultäten sowie die Bielefeld School of Education ihre Absolvent*innen mit separaten Angeboten in digitaler Form.

Das Überraschungspaket wird den Absolvent*innen per Post zugestellt. Was genau darin enthalten ist, bleibt noch eine Überraschung. Nur so viel: Die Absolvent*innen erreichen Aufmerksamkeiten ihrer Universität und ihrer Fakultäten, welche zu einem schönen Abend und einem gelungenen Studienabschluss im privaten Rahmen beitragen sollen. Begleitend zum Online-Event berichtet die Universität auf ihren Social Media-Kanälen über das Online-Event. Absolvent*innen können zum Posten von Bilder ihrer privaten Abschlussfeier den Hashtag #tfa2020 nutzen.
Die Universität Bielefeld engagiert sich für die Weiterentwicklung einer geschlechtergerechten Wissenschafts- und Universitätskultur. Ein Bestandteil ist eine gendergerechte Sprache. In diesem Zusammenhang begeht sie ab diesem Jahr den „Tag für Absolvent*innen“, zuvor bekannt als „Absolvententag“.
Die Universität Bielefeld dankt dem Absolventen-Netzwerk der Universität Bielefeld e. V. und der Universitätsgesellschaft Bielefeld für die Unterstützung beim Tag für Absolvent*innen 2020.
Weitere Informationen: Die Webseite des Tags für Absolvent*innen 2020
Das Internet der Dinge lernfähig machen
Autonome Fahrzeuge oder Geräte für intelligente Wohnungen werden immer komplexer. Ein neues System des maschinellen Lernens soll die dafür genutzte Soft- und Hardware robuster, leistungsfähiger und energiesparender machen. Das neue Projekt VEDLIoT wird von der Europäischen Kommission für drei Jahre mit rund acht Millionen Euro finanziert. Davon gehen etwa zwei Millionen Euro an das Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld, das das Projekt koordiniert.

In einem intelligenten Zuhause, einem Smarthome, finden die Bewohner*innen Geräte, die ihr Leben einfacher machen sollen: zum Beispiel einen Kühlschrank, der Lebensmittel nachbestellen und gleichzeitig mit dem Backofen kommunizieren kann. Die Geräte und Komponenten zählen zum Internet der Dinge (engl. Internet of Things, kurz IoT). Sie sind an ein Netzwerk angeschlossen und erfassen, speichern, verarbeiten und übertragen Daten. IoT-Geräte werden auch bei selbstfahrenden Autos oder der Industrierobotik eingesetzt.
Künstliche Intelligenz statt konventionellem Verfahren
In dem Projekt arbeiten zwölf Partner*innen aus den vier EU-Ländern Deutschland, Polen, Portugal und Schweden und dem EU-Assoziationsstaat Schweiz zusammen. Anstelle klassischer Verfahren, beispielsweise aus dem Bereich der Statistik, setzt das internationale Forschungsteam Verfahren des maschinellen Lernens ein, zum Beispiel Deep Learning (mehrschichtiges Lernen). Dafür werden künstliche neuronale Netze genutzt. „Beim Deep Learning hat das zugrunde liegende Netz neben Eingangs- und Ausgangsneuronen auch viele Zwischenneuronen und -schichten. Auf diese Weise lassen sich komplexe Sachverhalte abbilden“, sagt Jens Hagemeyer. Der Elektrotechniker forscht in der Gruppe Kognitronik und Sensorik und ist technischer Leiter des Projektes. „Wir stellen die Informationen bereit, die Maschinen lernen und entscheiden selbst.“
Mit der selbstlernenden Plattform VEDLIoT sollen IoT-Geräte leistungsfähiger werden und gleichzeitig weniger Energie verbrauchen. Dafür entwickeln die Forschenden eine modulare Hardware-Plattform: Auf einem Träger werden Microserver in der Größe einer Hand in unterschiedlichen Leistungsklassen kombiniert. „Je nach Anwendungsanforderung können die Server individuell auf dem Träger zusammengestellt werden. So ist die Plattform universell einsetzbar“, sagt Hagemeyer. Auch Totalausfälle werden mit dem neuen System vermieden: „Fällt ein Server beispielsweise wegen eines schwachen Funknetzes aus, ist das gesamte Gerät trotzdem noch bedienbar. In einem selbstfahrenden Auto würden die Benutzer*innen den Ausfall eines Servers im besten Fall überhaupt nicht merken.“
Ausschreibung für weitere Projektbeteiligungen
„Einige der Projektpartner*innen arbeiten seit vielen Jahren zusammen“, sagt Dr. Carola Haumann, Projektmanagerin und stellvertretende Geschäftsführerin des CoR-Labs. Zu den Partner*innen des Projekts zählen sieben Universitäten und Forschungsinstitute, die zur künstlichen Intelligenz und dem Internet der Dinge forschen. Die anderen Partner*innen sind Unternehmen unterschiedlicher Größe, vom Start-up EmbeDL bis zum Großkonzern Siemens.

Aber auch weitere Unternehmen können sich noch am Projekt beteiligen: „Wir gehen davon aus, dass wir im Projekt zusätzlich zu den bereits vorhandenen Anwendungen in den Bereichen Automobil, Automatisierung und Smarthome noch mindestens zehn weitere Anwendungsbeispiele finanzieren. Für diese wollen wir zusätzliche Unternehmen einbinden“, so Haumann. Mitte 2022 soll ein Prototyp fertiggestellt sein. „Die Ergebnisse aus den Anwendungen fließen während der Projektlaufzeit in die IoT-Plattform ein“, sagt Jens Hagemeyer. „Dadurch können wir die Plattform direkt weiterentwickeln.“
Das Projekt ist im November gestartet, ein erster intensiver Workshop aller Projektpartner*innen ist für Anfang Dezember geplant. Ende 2023 soll das Projekt abgeschlossen werden. Finanziert wird es über die Förderlinie zu Informations- und Kommunikationstechnologien im EU-Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 “ (Förderziffer 957197). Der Name VEDLIoT steht für „Very Efficient Deep Learning in IoT“ (Hocheffizientes Deep Learning im Internet der Dinge).
Beteiligte Forschungseinrichtungen und Hochschulen des Projekts sind neben der Universität Bielefeld: die Technische Hochschule Chalmers in Göteborg (Schweden), die Universität Neuenburg (Schweiz), die Universität Osnabrück, die Universität Göteborg (Schweden), die Research Institutes of Sweden (RISE) in Göteborg (Schweden) und FCiências.ID, eine Vereinigung für Forschung und Entwicklung in Lissabon (Portugal). Beteiligte Unternehmen sind: Antmicro in Posen (Polen), EmbeDL in Göteborg (Schweden), der Siemens-Konzern mit Sitz in München und Berlin, Christmann Informationstechnik & Medien in Ilsede sowie die Firma Veoneer in Stockholm (Schweden).