Weil Wissenschaft offen sein muss


Autor*in: Müller Milena

Im Sommer- wie im Wintersemester öffnet Hörsaal 4 der Universität Bielefeld montags um 18 Uhr c.t. seine Türen für all diejenigen, die an aktuellen gesellschaftlichen Debatten interessiert sind – und das bereits seit mehr als 20 Jahren. Das Forum Offene Wissenschaft (FOW) hat eine lange Tradition, die auch im kommenden Sommersemester fortgeführt wird und somit bis in die Zukunft reicht.  

Es geht um Themen wie Soziale Gerechtigkeit, Massenmigration oder Überleben bei begrenzten Ressourcen – um Themen, die die Gesellschaft bewegen, über die sie diskutiert oder sogar streitet. Das Forum Offene Wissenschaft bietet Vortragenden und deren Publikum einen Raum, solche Themen auf wissenschaftlicher Ebene kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen. Die Beiträge kommen aus verschiedenen Wissenschaftsgebieten. Zu Gast sind Dozentinnen und Dozenten der Universität ebenso wie externe Gäste aus verschiedenen Fachrichtungen. Damit steht die Ringvorlesung ganz im Zeichen der interdisziplinären Leitidee der Universität Bielefeld.

Die emeritierten Professoren Günter Graumann (rechts) und Ludwig Huber lernten sich schon in den 1990er-Jahren an der Universität Bielefeld kennen. Beide engagieren sich seit Langem ehrenamtlich in der Arbeitsgruppe FOW: Huber seit 15 Jahren, Graumann als Mitgründer und Initiator von Beginn an. Foto: Universität Bielefeld / Milena Müller

Die erste Veranstaltungsreihe, die sich noch ausschließlich an Studierende wandte, fand im Sommersemester 1996 statt. Das Thema: „Weltbilder und ihre Zukunftsfähigkeit“. Im darauf folgenden Wintersemester wurde die Reihe fortgesetzt und ist seither offen für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger aus Bielefeld und Umgebung. Vor diesem Hintergrund gilt das FOW, das in seiner Form bei seiner Gründung deutschlandweit einzigartig war, als wichtiges Bindeglied zwischen Universität und Stadt. Die nötige Infrastruktur wird vom Rektorat finanziert; darüber hinaus wird es von der Universitätsgesellschaft Bielefeld unterstützt. Zum Beispiel, wenn Honorare und Fahrtkosten für auswärtige Vortragende anfallen. „Ohne die Universitätsgesellschaft könnten wir das alles gar nicht machen“, sagt Günter Graumann. Obwohl sich die Veranstaltungsreihe gut eignet, das Lehrangebot fächerübergreifend zu ergänzen, nehmen mittlerweile nur noch wenige Studierende daran teil – sehr zum Bedauern von Graumann, Huber und den rund zehn weiteren Mitgliedern der Arbeitsgruppe, größtenteils pensionierte Hochschullehrende.

„Obwohl sich die Zusammensetzung des Publikums in den vergangenen 20 Jahren verändert hat, ist der Charakter der Veranstaltung im Wesentlichen gleich geblieben“, sagt Huber. „Die Teilnehmerzahlen sind allerdings gestiegen“, fügt Graumann hinzu. Seit vielen Jahren reicht der anfänglich genutzte Hörsaal 12 nicht mehr aus für die wöchentlich rund 400 Besucherinnen und Besucher. Vereinzelt musste in der Vergangenheit auf andere Räume ausgewichen werden, weil das Interesse so immens war. Immer mal wieder treten bekannte Persönlichkeiten auf. In der Vergangenheit konnte das FOW zum Beispiel die Politikerin Regine Hildebrandt, Grünen-Politiker Cem Özdemir, den Philosophen Carl Amery und den Journalisten Heribert Prantl für Vorträge gewinnen.

Die bekannte Theologin Professorin Dr. Dorothee Sölle 1997 als Vortragende über „Besitz und Besitzlosigkeit“ in einer der ersten FOW-Veranstaltungen. Foto: Universität Bielefeld

Bei den Planungen für die Veranstaltungsreihen steht zunächst das Finden eines Oberthemas im Vordergrund. Darüber wird in der Arbeitsgruppe schon mal hitzig diskutiert. „Es sind nicht immer alle einer Meinung“, sagt Graumann. „Aber das beflügelt die Arbeit des FOW ungemein.“ Stehen Thema und relevante Fragestellungen fest, beginnt die Suche nach geeigneten Referentinnen und Referenten. „Die Herausforderung ist, dass es zwar eine fachliche Diskussion geben, aber kein Fachvortrag abgehalten werden soll“, betont Huber. Neben dem Vortrag als solchem ist die Diskussion mit den Zuhörerinnen und Zuhörern ein elementarer Bestandteil der Veranstaltungsreihe.

Alle Vorträge werden vom Campusradio Herz 87,9 aufgezeichnet und unter der Rubrik „Der Hörsaal“ immer am darauffolgenden Sonntag wiederholt. Und zwar am Sonntag 14 Uhr auf der Frequenz 87.9 MHz oder als Livestream.

Trotz seines Erfolges ist die Zukunft des FOW ungewiss. Die Arbeitsgruppe sucht dringend Nachwuchs. Daneben wünschen sich Huber und Graumann vor allem eines: Dass wieder mehr Studierende an den Vorträgen und Diskussionen teilnehmen.

Nächstes Forum im Sommersemester

Die nächste Chance dazu bietet sich in diesem Sommersemester: Da geht es im Forum Offene Wissenschaft um das hochaktuelle Thema „Wie lernen Gesellschaften für die Zukunft? Was trägt Wissenschaft dazu bei?“ Hier eine Auswahl von Veranstaltungen.

  • 8. April: „Die Schwierigkeiten von gesellschaftlichem Lernen. Am Beispiels des Nationalismus“: Professor Dr. Tobias Werron, Universität Bielefeld
  • 27. Mai: „Wissenschaft und die Bewältigung künftiger Herausforderungen“, Professor Dr. Martin Carrier, Universität Bielefeld
  • 17. Juni: „Eine bessere Moral für eine bessere Medizin? Auf welche neuen Fragen muss die Ethik sich einstellen?“, Professor Dr. Ralf Stoecker, Universität Bielefeld
  • 8. Juli: „Wer sich verändert, kann die Welt verändern“, Umweltamt Bielefeld, Klimakommune Saerbeck, Klimabündnis Mühlenkreis

Weitere Informationen und das komplette Programm des Forums Offene Wissenschaft im Sommersemester: http://www.unibielefeld.de/forum

Teile dieses Artikels wurden im NACHSCHLAG, der Zeitung des Absolventen-Netzwerks der Universität Bielefeld e.V. erstmals veröffentlicht. Mitglieder des Vereins erhalten diese Zeitung zweimal im Jahr exklusiv. Weitere Informationen: www.uni-bielefeld.de/alumni