„Mathematik betreiben heißt kreativ sein“


Autor*in: Dr. Kristina Nienhaus

Fundamentaler Fortschritt findet in der Mathematik oft dort statt, wo Forschungsgebiete aufeinandertreffen: Bei der Konferenz „Dynamics and asymptotics in algebra and number theory in Bielefeld“ (Dynamik und Asymptotik in Algebra und Zahlentheorie in Bielefeld) kommen jetzt internationale Spitzenwissenschaftler*innen an der Universität Bielefeld zusammen, um sich über ihre Ideen und Erkenntnisse auszutauschen. Die Forschung der Konferenzteilnehmenden lässt sich hauptsächlich an der Schnittstelle zwischen Algebra und Zahlentheorie verorten. Mehrere Sprecher*innen werden Einblicke in ihre Forschungsfelder geben. Unter anderem werden Wissenschaftler*innen von der University of California, der Harvard University, der University of Copenhagen und den Universitäten Birmingham, Bristol, Zürich und Leiden erwartet. Die Bielefelder Professor*innen Dr. Claudia Alfes-Neumann und Dr. Christopher Voll gehören zum Organisator*innen-Team der Konferenz und sprechen im Interview über die spannende Themenzusammensetzung der Konferenzbeiträge, den Nutzen von Synergien in der Mathematik und warum die Konferenz die interdisziplinäre Forschung an der Bielefelder mathematischen Fakultät bereichert.

Was macht die Schnittstelle zwischen Algebra und Zahlentheorie für die Forschung so interessant?

Professorin Dr. Claudia Alfes-Neumann: Algebra und Zahlentheorie sind zwei Gebiete der Mathematik, die sich schon seit geraumer Zeit sozusagen die Bälle zuspielen. Einerseits liefert moderne Algebra das Handwerkszeug zur Bearbeitung vieler zahlentheoretischer Fragen. Andererseits liefert die Zahlentheorie Motivation und Anwendungsfelder algebraischer Methoden und Entdeckungen.

Professor Dr. Christopher Voll: In der Bielefelder Mathematik hat dieses fruchtbare Zusammenspiel schon Tradition. Ganz konkret und aktuell arbeiten drei der Konferenz-Organisator*innen im SFB TRR 358 zusammen, in dem algebraische und zahlentheoretische Fragen Hand in Hand gehen: Die Kernexpertise von Professorin Alfes-Neumann und Professor Blomer liegt in der Zahlentheorie, während ich primär algebraische Fragestellungen bearbeite. An der Schnittstelle unserer Interessengebiete arbeiten wir im TRR zusammen.

Prof. Voll in der Universität
Prof. Dr. Christopher Voll von der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld gehört zum Organisator*innen-Team der Konferenz „Dynamics and asymptotics in algebra and number theory in Bielefeld“.

Was bringt es für Vorteile, Synergien in der Mathematik zu nutzen?

Claudia Alfes-Neumann: In der Mathematik findet fundamentaler Fortschritt oft genau dort statt, wo Forschungsgebiete aufeinanderstoßen, in denen ganz unterschiedliche Arten von Ideen kultiviert werden. Gerade die Zahlentheorie liefert Beispiele für dieses Phänomen: Rasanter Fortschritt an der Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung etwa, einer der großen zahlentheoretischen Vermutungen unserer Tage, kam neulich zustande durch die Synthese klassischer zahlentheoretischer Methoden mit Ideen aus der Wahrscheinlichkeitstheorie.

Christopher Voll: Ein Ziel der Konferenz ist es, derartige Synergien mit weiteren Gebieten zu entwickeln, etwa der Theorie dynamischer Systeme oder der asymptotischen Algebra.

Internationale Wissenschaftler*innen werden unter anderem zu dynamischen und asymptotischen Aspekten in der Algebra und Zahlentheorie sprechen. Warum ist dieses mathematische Feld so spannend?

Claudia Alfes-Neumann: Das Gebiet fasziniert in der Tat Forscher*innen weltweit, und die Konferenz spiegelt das wider: wir erwarten Sprecher*innen und Teilnehmer*innen aus mindestens zehn Ländern.
 
Christopher Voll: Wir haben zumindest eine Ahnung, warum das so ist: Mathematik betreiben heißt kreativ sein, in einem Spannungsfeld zwischen rigorosen Regeln einerseits und neugiergetriebener Kreativität andererseits. Das Zusammenkommen mit Forscher*innen aus Gebieten, die unseren jeweils eigenen benachbart sind, verspricht Neues und Aufregendes – das ist spannend!

Portrait von Claudia Alfes-Neumann
Prof’in Dr. Claudia Alfes-Neumann von der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld ist ebenfalls Teil des Organisator*innen-Teams der Konferenz.

Was erhoffen Sie sich von dem Austausch?

Claudia Alfes-Neumann: Die Konferenz wird eine Plattform sein, auf der Wissenschaftler*innen aus benachbarten, aber verschiedenen Bereichen der Mathematik in Bielefeld zusammenkommen. Das ermöglicht ihnen, Ideen und Methoden aus den jeweils anderen Gebieten kennen und schätzen zu lernen, und dann in ihrem eigenen Spezialgebiet fruchtbar zum Einsatz zu bringen.
 
Christopher Voll: Spitzenmathematik wird immer häufiger in pluridisziplinären Teams betrieben. Diese Teams finden sich meistens spontan, auf internationalen Konferenzen. Aus diesem Grund legen wir auch viel Wert darauf, dass die Teilnehmer*innen genügend Zeit und Muße haben, im informellen Austausch zueinander zu finden und neue Kooperationsmöglichkeiten zu entdecken. Wichtig war uns eine diverse Zusammensetzung der Liste der Sprecher*innen, sowohl was die Geschlechter – als auch die Altersverteilung unserer Gäste betrifft.

Gibt es thematische Schwerpunkte, auf die Sie sich besonders freuen?

Claudia Alfes-Neumann: Wir freuen uns sehr auf die Synergien, die sich aus dem Einfluss asymptotischer und dynamischer Ideen auf die Gebiete Algebra und Zahlentheorie ergeben. Unsere Koorganisator*innen etwa bringen dabei ihre jeweiligen Kernexpertisen ein, die die unsrigen sehr gut ergänzen: Professorin Dr. Anke Pohl von der Universität Bremen setzt Akzente im Bereich der dynamischen Systeme und der Ergodentheorie, während die Forschungsschwerpunkte von Professor Dr. Valentin Blomer von der Universität Bonn im Bereich der Zahlentheorie liegen, insbesondere dem Gebiet der automorphen Formen. Am meisten aber freuen wir uns darauf, von der Energie und den Ideen unserer internationalen Gäste zu profitieren.

Hat die Konferenz Einfluss auf die Forschung an der mathematischen Fakultät?

Christopher Voll: Die Konferenz spiegelt zum einen den interdisziplinären Charakter wider, der die Bielefelder Mathematik schon seit Jahren auszeichnet: Nicht umsonst arbeiten drei der Organisator*innen bereits im DFG Sonderforschungsbereich Transregio 358 mit Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn eng zusammen.
 
Claudia Alfes-Neumann: Zum anderen demonstriert die Konferenz, dass es in Bielefeld gelingt, synergente Forschungsansätze auch innerhalb der mathematischen Grundlagenforschung zu verfolgen und international wirksam und sichtbar zu machen. Sie macht auch deutlich, wie wichtig adäquate Infrastruktur für synergente Forschung ist. Wir sind sehr froh, das Bielefelder ZiF für die Konferenz nutzen zu dürfen.
 
Christopher Voll: Die Konferenz wirkt damit in die Stoßrichtung einer allgemeineren Forschungsinitiative an der Universität Bielefeld, die emergente Synergien in der Mathematik und ausgesuchten Anwendungsfeldern entwickelt.