Bielefeld wird exzellent – CITEC und BGHS
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Fotografin: Norma Langohr
Quelle: Universität Bielefeld
Nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Exzellenzinitiative trafen sich die Beteiligten spontan im Senats-Sitzungssaal, um die Erfolge zu feiern. Nach einer Runde Sekt griffen Prof Dr. Thomas Schack und Prof. Dr. Ipke Wachsmuth zu Gitarre und Mundharmonika und sangen mit den Anwesenden einen „Exzellenz“-Song nach der Melodie des Liedes „Jessie“ von Joshua Kadison: „Wir sind so froh über unser Cluster, leben auf einem exzellenten Stern; wir machen unsere Sache, haben’s manchmal richtig gut drauf…“
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Quelle: Universität Bielefeld
Exzellent in Forschung…
Im Rahmen des Exzellenz-Clusters „Cognitive Interaction Technology“ erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedensten Fakultäten wie Biologie, Linguistik, Physik, Psychologie und Sportwissenschaft gemeinsam die Interaktion und Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Das Gebiet erfordert es zwingend, mit strategischen Partnern zusammenzuarbeiten. Der Cluster hat unter anderem mit Miele, Bertelsmann, Honda und den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel starke Unterstützer an seiner Seite, die wichtigen Forschungsinput aus dem Bereich der Wirtschaft und Gesellschaft liefern. Seit 2013 besitzt das CITEC auf dem Campus Nord ein eigenes, hochmodernes Forschungsgebäude – es ist optimal auf die dortige Forschung zugeschnitten. Die Förderung durch die Exzellenzinitiative läuft nach einmaliger Verlängerung bis Ende 2019. Nach Auslaufen der Förderung durch die Exzellenzinitiative wird die Universität Bielefeld das CITEC als zentrale wissenschaftliche Einrichtung weiterbetreiben, sodass weiterhin herausragende Forschung auf dem Gebiet der Robotik und Mensch-Maschine-Kommunikation geleistet werden kann.
…und Lehre
Das Konzept der Bielefelder Graduiertenschule (BGHS) umfasste die Schaffung einer innovativen, strukturierten Promotionsausbildung. Besonders Individualität, Kreativität und Eigeninitiative werden groß geschrieben. Dies trägt auch dazu bei, dass ca. 40 % der Promovierenden aus dem Ausland kommen. Zeitgleich lernen und forschen über 200 Doktorandinnen und Doktoranden aus Soziologie und Geschichtswissenschaft gemeinsam unter einem Dach. Nur aufgrund der Abschaffung der Förderung von Graduiertenschulen insgesamt, fiel die BGHS nach zehn Jahren Förderung aus dem Raster. Sie besteht aber durch inneruniversitäre Förderung weiter als Leuchtturm der Nachwuchsförderung an der Universität Bielefeld und ist in den Fakultäten für Geschichtswissenschaft und Soziologie gut verankert.
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Quelle: DFG
Nobelpreis (fast) für Bielefeld – Reinhard Selten und die Spieltheorie
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Fotograf: Klaus Halbe
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01855
Reinhard Selten war 1972 von der FU Berlin nach Bielefeld gewechselt, weil ihn die Aussicht reizte, hier ein großes Institut für mathematische Wirtschaftsforschung (IMW) aufzubauen. Nachdem die großen Pläne den Sparzwängen zum Opfer fielen, wurde das Institut kleiner als geplant umgesetzt. Dies spielte Selten allerdings in die Karten, da er durchsetzen konnte, dass alle drei Lehrstühle des Instituts mit Spieltheoretikern besetzt werden würden. In seiner biographischen Skizze für den Nobelpreis beschrieb Reinhard Selten seine Bielefelder Zeit folgendermaßen: „An der Universität Bielefeld wird die gegenseitige Befruchtung zwischen verschiedenen Feldern durch die Existenz einer einzigartigen Institution, dem Zentrum für interdisziplinäre Forschung, begünstigt. Die dort gegebenen Vorträge brachten mich mit Biologen in Kontakt, die mich auf Anwendungen der Spieltheorie in der Biologie aufmerksam machten.“
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Quelle: 3Sat, 2014.
Interdisziplinäre Arbeit an der Spieltheorie
Nach seinem Wechsel an die Universität Bonn blieb Selten Bielefeld verbunden, unter anderem war er bis 2015 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des ZiF. Im Jahr 1987 kehrte er für die Forschungsgruppe zur Spieltheorie in den Verhaltenswissenschaften an das ZiF zurück, an der mit Elinor Ostrom auch eine weitere spätere Nobelpreisträgerin teilnahm. Das Ziel der Forschungsgruppe war die Verbindung der spieltheoretischen Forschungen in vielen verschiedenen Fachbereichen. Die Zusammenarbeit der internationalen Gruppe von Teilnehmenden aus den Disziplinen Wirtschaft, Biologie, Mathematik, Politikwissenschaft, Psychologie und Philosophie führte schließlich neben drei Tagungen zu vier Bänden über „Spielgleichgewichtsmodelle“, die 1991 veröffentlicht wurden, und zu weiteren Nachwirkungen, wie Selten beschreibt: „John Harsanyi, John Nash und ich, wir haben die nicht-kooperative Revolution in der Spieltheorie gemacht. Dazu hat das Jahr im ZiF einen bedeutenden Beitrag geleistet. Dazu und zur Entwicklung und Verbreitung der Spieltheorie und ihrer Anwendung auf die verschiedenen Disziplinen.“
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Fotograf: Unbekannt
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01858
Wenn Atome aufeinander stoßen: der erste Sonderforschungsbereich
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Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FS 35
Das Thema des SFB 216 war methodisch festgelegt: Polarisation und Korrelation sind physikalische Größen, die Aufschluss über Struktur und Dynamik der atomaren Stoßkomplexe geben. Die Stoßkomplexe wurden durch das Aufeinanderwirken von Stoßpartnern erzeugt und ihr Zerfall beobachtet. Durch spezielle Präparation der Stoßpartner (Polarisation) und durch Messung von Beziehungen zwischen den Teilchen, die nach dem Zerfall der Stoßkomplexe auseinanderfliegen (Korrelation), wurden sehr detaillierte Informationen gewonnen. Dies machte besonders kritische Vergleiche mit theoretischen Berechnungen möglich.
Während seiner Existenz prägte der SFB die Forschungs- und Lehraktivitäten der Fakultäten für Physik und Chemie entscheidend und trug dazu bei, dass die Bielefelder Naturwissenschaften deutlich an internationaler Sichtbarkeit gewannen.
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Fotograf: Gerhard Trott
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01703
Der SFB 216 begründete die gute Tradition der Sonderforschungsbereiche an der Bielefelder Universität. Seit der Bewilligung der nächsten Projekte zur Grundlagenforschung – der SFB 223 (Pathomechanismen zellulärer Wechselwirkungen) im Jahr 1985 und der SFB 177 (Sozialgeschichte des neuzeitlichen Bürgertums) im Jahr 1986 – werden an der Universität Bielefeld immer mindestens zwei Sonderforschungsbereiche zeitgleich gefördert.
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Fotograf: Manfred Kettner
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 00888
Das „Interdisziplinäre Forschungsjahr 1978/79“ endet – Der „Menschenwissenschaftler“ bleibt
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Zeichnung: Theodor Schulze
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld
Elias, bis 1933 Assistent von Karl Mannheimer in Frankfurt/Main, floh 1933 vor den Nationalsozialisten nach England. In den 1970er Jahren wandte er sich ermutigt von der breiten Rezeption und Resonanz seiner beiden neu veröffentlichten Hauptwerke „Über den Prozess der Zivilisation“ (1939, 1939/1976) und „Die höfische Gesellschaft“ (1933, 1969) im bereits hohen Alter Deutschland wieder zu. Im April 1971 widmete das ZiF – seinerzeit noch im Schloss Rheda – sein erstes Autorenkolloquium Norbert Elias, weitere Einladungen folgten. Im Anschluss an das „interdisziplinäre Forschungsjahr 1978/79“ blieb Elias – mit Unterbrechungen – bis 1984 Gast des Zentrums in Bielefeld. Immer wieder brachte er sich leidenschaftlich und intensiv in die Forschungsaktivitäten des ZiF ein, insbesondere in der Forschungsgruppe „Funktionsgeschichte literarischer Utopien in der frühen Neuzeit“ (1980/81).
Ein größerer Teil seiner späten Werke entstand in Bielefeld. Am 22. Juni 1980 verlieh ihm die Fakultät für Soziologie die Ehrendoktorwürde und 1986 erhielt er auf Vorschlag der Universität Bielefeld aus der Hand des Bundespräsidenten das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Gern am ZiF
Norbert Elias genoss es, im ZiF zu sein. Er selbst betonte, dass es das ZiF war, das mehr als irgendetwas anderes dazu beigetragen habe, dass er so lange in Deutschland geblieben sei. Er genoss die abgeschiedene und intellektuell anregende Arbeitsatmosphäre, wo in unmittelbarer Nähe alles zu finden war, was er brauchte: die Bibliothek, das regelmäßig aufgesuchte Schwimmbad, der Wald für seine häufigen Spaziergänge, die Universität, wo seine Vorträge und Vorlesungen eine ganz außergewöhnliche Resonanz bei den Studierenden hervorriefen. Auf der anderen Seite schätzte man im ZiF und in der Universität diesen bescheidenen und faszinierenden Intellektuellen, der durch seine lange Anwesenheit auch zum internationalen Ansehen des ZiF und der Universität beitrug.
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Foto: ZiF
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01951
Es wird konkret: Universität Bielefeld ernennt ersten Professor
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Fotograf: Ed. Heidmann
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01612
Von Lüneburg über Harvard…
Niklas Luhmann wurde am 8.12.1927 in Lüneburg als ältester Sohn eines Brauereibesitzers geboren. Nach dem Krieg legte er das Abitur ab und studierte in Freiburg Rechtswissenschaft. Seine erste Anstellung führte ihn zurück nach Lüneburg an das dortige Oberverwaltungsgericht. Während dieser Zeit begann er mit dem Aufbau des Zettelkastens, in dem er seine Gedanken festhielt. Im Rahmen seiner Tätigkeit am Kultusministerium Niedersachsen bekam er die Gelegenheit, mit einem Stipendium nach Harvard zu gehen und Soziologie und Verwaltungswissenschaften zu studieren. Dort machte er die Bekanntschaft mit Talcott Parsons, dem Begründer des Strukturfunktionalismus, den Luhmann später in seiner eigenen Systemtheorie weiterentwickeln sollte.
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Quelle: WDR, 1973
…nach Bielefeld
Zurück in Deutschland lehrte Niklas Luhmann zunächst an der Verwaltungshochschule Speyer. Mehrere bedeutende Forschende zeigten sich von seiner Arbeit beeindruckt, darunter der Soziologe Prof. Dr. Helmut Schelsky. 1965 holte Schelsky Luhmann zu sich nach Dortmund, an die Sozialforschungsstelle der Universität Münster. Als unter Schelskys maßgeblicher Beteiligung die Pläne für eine ostwestfälische Universität mit eigener Fakultät für Soziologie reiften, bat er Luhmann, ihm nach Bielefeld zu folgen. Um an der neuen Reformuniversität lehren zu können, promovierte und habilitierte Niklas Luhmann innerhalb weniger Monate. 1968 wurde er nach Bielefeld auf den Lehrstuhl für allgemeine Soziologie der Fakultät für Soziologie berufen, deren Charakter er bis heute mitgeprägt hat.
„Forschungsprojekt: Gesellschaftstheorie, Laufzeit: 30 Jahre, Kosten: keine“
Luhmanns Gesellschaftstheorie wurde sein Lebenswerk. Mit Hilfe seines Zettelkastens publizierte Niklas Luhmann über 400 Artikel und mehr als 50 Bücher. Er beobachtete die Gesellschaft mit leiser Ironie, interessierte sich für „globale Katastrophen und lokale Trivialitäten“. 1997 erklärte er in „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ das 24 Jahre zuvor begonnene Projekt „Gesellschaftstheorie“ für abgeschlossen. Ein Jahr später verstarb Niklas Luhmann im Alter von 70 Jahren. Sein Nachlass wird heute an der Universität Bielefeld erschlossen und erforscht. Aus dem Nachlass werden bis heute unveröffentlichte Texte Luhmanns publiziert.