Kein Talar, sondern Mao-Jacke und Sandalen
Ohne Festreden
Die eingeladene und zahlreich erschienene „interessierte Öffentlichkeit“ erlebte im Aufbau- und Verfügungszentrum an der Kurt Schumacher-Straße eine unübliche Universitätseröffnung: Handwerker legten fleißig und unüberhörbar letzte Hand an, „Händel vorne und hinten und in der Mitte schöne Reden“ (Universitätskanzler Dr. Firnhaber) fehlten. Universitätsprofessoren erschienen nicht im Talar, sondern lediglich im Straßenanzug oder wie Mathematikprofessor Dr. Andreas Dress gar im blau-leinenen Mao-Kittel und Sandalen zur Eröffnung der Universität. Stattdessen stellten sich die drei Gründungsfakultäten Mathematik, Rechtswissenschaft und Soziologie in Informationsveranstaltungen den ca. 250 Studierenden vor, um über den Aufbau der Universität oder die jeweiligen Studieninhalte zu berichten und zu diskutieren.
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Fotograf: Bernhard Preker
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, NEG P 1.5_4_1
Etwas lebhafter ging es am Nachmittag zu, als ca. 600 demonstrierende Studierende der Pädagogischen Hochschule (PH) die anwesende Medienprominenz nutzten, um auf die schlechten Studienbedingungen an der PH aufmerksam zu machen. Der amtierende Rektor der Universität, Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer, empfing die Demonstrierenden und dokumentierte gleich den neuen Arbeits- und Kommunikationsstil der Universität: Noch am Abend der Eröffnung der Universität nahm er spontan an einer Podiumsdiskussion zu den Problemen der PH teil.
Herzanfall nach der Wahl zum Uni-Rektor
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Fotograf: Günter Rudolf
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, NEG R 1_5_5_3
Am Nachmittag des 5. September 1969 trafen sich 14 Vertreter des Lehrkörpers, sieben wissenschaftliche Mitarbeitende – unter ihnen mit der ZiF-Assistentin Dr. Dorothea Böhmer die einzige Frau – und sieben nicht stimmberechtigte Vertreter von Gründungsausschuss und Wissenschaftlichem Beirat im Großen Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Bielefeld.
Die einzigen Tagesordnungspunkte waren die Konstituierung des Senats und die Wahl eines Rektors. Allerdings hatte man sich bereits im Vorfeld darauf geeinigt, dass beides in Kürze wiederholt werden solle, da die Satzung eine Beteiligung aller Fakultäten und der verfassten Studierendenschaft vorsah. Zu diesem Zeitpunkt aber hatten sich weder die Fakultäten für Soziologie und für Mathematik noch die Studierendenschaft konstituiert.
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Fotograf: Günter Rudolf
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, NEG R 1_5_4_3
Die Wahl
Zum Rektor gewählt wurde mit großer Mehrheit der Vorsitzende des Gründungsausschusses und im Februar 1969 vom Kultusminister mit der Führung der Rektoratsgeschäfte beauftragte Jurist Prof. Dr. Ernst-Joachim Mestmäcker. Der Mathematiker Prof. Dr. Karl-Peter Grotemeyer, der gerade erst den Ruf an die Universität angenommen hatte und ebenfalls mit großer Mehrheit gewählt, wurde Mestmäcker als einziger Prorektor zur Seite gestellt.
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Fotograf: Günter Rudolf
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, NEG R 1_5_3_2
Dunkler Schatten
Doch schon wenige Stunden danach fiel ein dunkler Schatten auf die erfolgreiche Wahl. Ernst-Joachim Mestmäcker, der sich nach der Senatssitzung noch den Fragen von Presse und Rundfunk gestellt hatte, erlitt wenige Stunden später einen Herzanfall und musste von seinem Fahrer in ein Bielefelder Krankenhaus gebracht werden.
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Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FS 47
Zwar traten die schlimmsten Befürchtungen der am Gründungsprozess Beteiligten nicht ein. Dennoch führte die anhaltende gesundheitliche Beeinträchtigung Mestmäckers dazu, dass im März 1970 nicht dieser sondern Prorektor Grotemeyer, der bereits ab dem 5. September 1969 die Wahrnehmung der Rektoratsgeschäfte interimsweise übernommen hatte, zum Rektor gewählt wurde. Dies blieb er bis 1992 und ist damit wohl bis heute der Rektor mit der längsten Amtszeit in Deutschland.
Kompakt oder aufgelockert – Wie wird die Universität aussehen?
Beim Siegerentwurf aus Berlin befand das Preisgericht: Aufgrund der extremen Konzentration und der sehr günstigen Verflechtung werde er den Strukturempfehlungen hervorragend gerecht. Beim knapp unterlegenen Entwurf aus Düsseldorf, der den Charakter einer Parkuniversität aufweise, seien Konzentration und funktionelle Kommunikations- und Kooperationsbedingungen ebenfalls noch gegeben.
Hitzige Debatte, knappe Entscheidung
Die Entscheidung für den Entwurf der Architekten Klaus Köpke, Wolf Siepmann, Helmut Herzog und Katte Töpper war nicht spannungsfrei. Nach einer fünfstündigen Verhandlung des Preisgerichts kam es zu einer Art Kampfabstimmung, in der Köpkes Entwurf knapp die Mehrheit errang. Der Bielefelder Stadtbaurat Jürgen Hotzan stellte sich in der Folge klar gegen den siegreichen Entwurf, da er in der Planung einen Aufguss der Bochumer Massenuniversität sah, die wenige Jahre zuvor fertiggestellt worden war.
Die Architektengemeinschaft verteidigte sich mit Bezug auf die gewünschte Interdisziplinarität, die möglichst kurze Wege erforderte, und stellte die zentrale Halle als „Marktplatz“ in den Vordergrund. Nach der Überarbeitung der ausgezeichneten Entwürfe sprach sich die Universität einstimmig für den Siegerentwurf aus, der schließlich bis 1976 baulich umgesetzt wurde.
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Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FS 230
Grundsteinlegung mit Hindernissen
Der eigentlichen Grundsteinlegung für die Universität Bielefeld, genauer gesagt für das Aufbau- und Verfügungszentrum in der Kurt-Schumacher-Straße, ging eine Feierstunde in der Pädagogischen Hochschule voraus. Bei dieser Feierstunde sprachen u.a. NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn, Rudolf-August Oetker und der Bielefelder Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl vor vielen Ehrengästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
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Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FS 93
Willenlose Schafe?
Obwohl es noch keine Studierenden der Universität Bielefeld gab, gab es bereits studentischen Protest am Rande der Grundsteinlegung. Etwa 1000 Studierende der Bielefelder Ingenieur- und Höheren Wirtschaftsfachschule wollten mit einem Sit-In und der Blockade des Transferbusses, der die Honoratioren zur Kurt-Schumacher-Straße bringen sollte, auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Sie kämpften für eine Verankerung ihrer Institutionen im Hochschulbereich. Besondere Kritik richtete sich an die NRW-Landesregierung und speziell an Kultusminister Fritz Holthoff für das bevorstehende Hochschulrahmengesetz: Die Studierenden würden zu willenlosen Schafen gemacht. Kreativen Nachdruck verliehen die Protestierenden ihrem Anliegen mit mitgebrachten Schafen.
Nach der Auflösung der Blockade durch die Polizei konnte die eigentliche Grundsteinlegung ohne Zwischenfälle durchgeführt werden. Doch während die Feier in der Rudolf-Oetker-Halle weitergehen sollte, formierte sich vor der Tür erneut eine studentische Protestmenge. Ministerpräsident Kühn versuchte die anwesenden Demonstranten mit einer Rede über Megafon zu beruhigen. So begleiteten studentische Proteste bereits den „ersten Spatenstich“ der Universität Bielefeld.
Das Aufbau- und Verfügungszentrum wurde schließlich im Sommer 1969 fertiggestellt, sodass der Lehrbetrieb der Universität wie geplant zum Wintersemester 1969/70 starten konnte. Die offizielle Schlüsselübergabe für das AVZ folgte am 1. Dezember 1969 – also erst einige Wochen nach Inbetriebnahme des Gebäudes.
„Die Universität soll eine Reformuniversität sein“
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Foto: Freie Presse
Quelle: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld
Gelungene Personalpolitik
Im November 1965 konstituierten sich die Gründungsgremien der „Universität im ostwestfälischen Raum“: Gründungsausschuss und Wissenschaftlicher Beirat. Die gelungene Personalauswahl Schelskys wies – im Gegensatz zu den Gründungsausschüssen anderer Neugründungen der 1960er Jahre – weniger etablierte Gelehrte als vielmehr jüngere, vielversprechende und reformoffene Wissenschaftler auf, die im Idealfall bereit sein sollten, einen Ruf an die von ihnen geplante Universität anzunehmen.
Nach nur wenigen Monaten legte der Gründungsausschuss am 1. März 1966 mit den „Strukturmerkmalen der neuen Universität in Ostwestfalen“ das Struktur- und Reformkonzept einer ganzen – wenn auch kleinen – Universität vor, das auf der wegweisenden „Schwaghof-Tagung“ im März 1967 als „verfassungsmäßige Grundlage“ der Universität einhellig gebilligt wurde.
Reformuniversität
Mit dem Beschluss des Landeskabinetts vom Oktober 1967 gingen Gründungsausschuss, Wissenschaftlicher Beirat und die für die einzelnen Fächer zuständigen Fachbereichskommissionen an die konkrete Ausformung der Strukturmerkmale. Neuartige Einrichtungen wie das Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Universitäts- oder Forschungsschwerpunkte, das Zentrum für Wissenschaft und berufliche Praxis wurden der Öffentlichkeit präsentiert. Einige Schlagworte, die für die Reformen der neuen Universität in den Bereichen Forschung und Lehre standen, sorgten für deutschlandweites Aufsehen im Hochschul- und Wissenschaftsbereich: „Forschung als Amtspflicht der Professoren“ und damit verbunden der „jährliche Wechsel von Forschung und Lehre“ oder „struktureller numerus clausus“, womit eine festgeschriebene Betreuungsrelation von einem Professor oder einer Professorin auf 30 Studierende gemeint war, waren genauso sensationell wie „Steigerung der Ausbildungseffizienz“. Es war also nicht verwunderlich, dass diese Strukturmerkmale kontrovers diskutiert wurden – vor dem Hintergrund der an Fahrt aufnehmenden Studierendenbewegung und der zu erwartenden Studierendenschwemme.
Dabei zeigte sich jedoch schon bald, dass das mutige Reformkonzept nicht eins zu eins umsetzbar sein würde.
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Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, TDS 1.
Extrablatt – Bielefeld erhält die Universität
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mit freundlicher Genehmigung des WESTFALEN-BLATTES
Allerdings verdichteten sich bereits im Herbst 1965 die Anzeichen dafür, dass die mit ca. 170.000 Einwohnern größte Stadt Ostwestfalens das Rennen um den Standort der Universität machen würde. Mitglieder aller im Landtag vertretenen Parteien hatten sich mehr oder weniger direkt für Bielefeld ausgesprochen, das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Standortgutachten befürwortete im August 1965 ebenfalls eindeutig den jetzigen Universitätsstandort Bielefeld-Großdornberg und schließlich machten die Hauptakteure der Universitätsneugründung, Paul Mikat und Prof. Dr. Helmut Schelsky, aus ihrer Präferenz für Bielefeld keinen Hehl.
Insbesondere in der Stadt Bielefeld formierte sich im Zusammenspiel von regionaler und überregionaler Politik, Industrie und Verbänden ein Bündnis für eine Universität in Bielefeld, das – mit guten Argumenten und wirtschaftlicher, politischer und finanzieller Macht ausgestattet – den „Standortwettstreit“ mit Herford, Detmold und insbesondere Paderborn für sich entscheiden konnte. Dabei wurden mitunter auch unkonventionelle Mittel genutzt und unbürokratische Wege eingeschlagen. Um den Jahreswechsel 1965/66 gründete sich die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft – Verein der Freunde und Förderer, die zwar offiziell „standortneutral“ auftrat, aber schon durch die Zusammensetzung ihrer Führungsgremien eine eindeutige Tendenz für Bielefeld erkennen ließ.
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Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, TDS 6
Bielefeld wird Uni-Stadt
Mit der offiziellen Standortentscheidung ließ sich die Landesregierung allerdings noch etwas Zeit. Erst am Montag, den 6. Juni 1966 gab Ministerpräsident Franz Meyers in einer Pressekonferenz im Bielefelder Ratskeller bekannt, dass die neue Universität in Bielefeld-Großdornberg auf dem Gelände des Voltmannshofes errichtet werden solle. Das Westfalenblatt gab im Anschluss an die nachmittägliche Pressekonferenz ein zweiseitiges, kostenloses Extrablatt heraus, um die Bielefelder Bevölkerung über die positive Standortentscheidung zu informieren.
Im gleichen Artikel wurde ein Luftbild von Bielefeld-Großdornberg gezeigt, bei dem das projektierte Universitätsgelände mit Strichen umrandet war. Links im Bild ist der Voltmannshof zu sehen, der auch heute noch steht und seit 1982 das Internationale Begegnungszentrum der Wissenschaft (IBZ) beherbergt. Im IBZ werden in 21 Gästewohnungen vorrangig Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler der Universität Bielefeld mit ihren Familien untergebracht.
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Foto: Günter Rudolf
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld FOS 01613
Zitterpartie bis zum Grundstückskauf
Spannende Notiz am Rande: Die Landesregierung schien die Entscheidung für Bielefeld-Großdornberg schon Ende 1965 getroffenen zu haben, wie Ministerialdirigent Prof. Dr. Wegner der Gruppe ZD (Bau- und Grundstücksangelegenheiten) im Kultusministerium in einem Schreiben vom 2. Dezember 1965 mitteilte. Die öffentliche Zurückhaltung beruhte vor allem auf dem Versuch, Grundstücksspekulationen zu vermeiden. In einem Vermerk von Eberhard Freiherr von Medem, Beauftragter der Landesregierung für die Organisationsplanung, vom 23. Dezember 1965 wird über den Fortgang der Grundstücksverhandlungen mit den Familien Voltmann und Kleineberg geschrieben. Am 21. April 1966 erreichte Oberstadtdirektor Kuhn als Vertreter der Stadt Bielefeld in den Kaufverhandlungen mit Katharina Voltmann nach langwierigen und diffizilen Verhandlungen schließlich eine Einigung über den Kaufpreis des Geländes des Voltmannshofes und die an den Verkauf geknüpften Bedingungen. Erst nachdem am 16. Mai 1966 diese Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen und amtsgerichtlich dokumentiert waren, konnte im Juni 1966 der Standort Bielefeld-Großdornberg offiziell bestätigt werden.
Eine Universität braucht Freunde
Seit der Ankündigung der Landesregierung, eine Universität in Ostwestfalen zu gründen, hatten sich die Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der größten ostwestfälischen Stadt um die Bildung eines Fördervereins bemüht, der in erster Linie Bielefeld als einzig möglichen Standort einer solchen Hochschulgründung unterstützen sollte. Als deutlich wurde, dass Bielefeld im Rennen um den Standort der Universität die Nase vorn haben würde, forcierte Mitte 1965 ein „kleiner Kreis“ um Hinnendahl und Oetker die Bildung eines Arbeitsausschusses. Dieser Ausschuss sah seine Rolle als parteipolitisch neutraler geistiger und materieller Förderer der Universität in Ostwestfalen und fungierte schon bald als wichtiger Ansprechpartner für die Planer der Universität um Kultusminister Paul Mikat und Helmut Schelsky.
Rudolf-August Oetker betonte in seiner Rede auf der Gründungsversammlung, dass der Vorstand der Universitätsgesellschaft versuchen werde, die Differenzen der vergangenen Jahre zwischen den konkurrierenden Städten zu beenden, denn die zu gründende Universität müsse von allen Städten und Gemeinden des ostwestfälisch-lippischen Raumes und allen Teilen der Bevölkerung, unabhängig von Konfessionen, Berufsständen, politischer und weltanschaulicher Richtung getragen werden.
Verbindungen stärken, Universität fördern
Überaus erfolgreich vertrat die Universitätsgesellschaft in der Folgezeit ihre satzungsgemäßen Ziele, die westfälisch-lippische Universität zu fördern und die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis zu vertiefen. Das taten sie nicht nur, aber auch mit zwei glanzvollen Universitätsbällen am 7. September 1968 in Bad Salzuflen und am 28. Januar 1972 im Gesellschaftshaus Bielefeld, in denen sich Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtgesellschaft näher kamen.
Auch heute nach über 50 Jahren und der im Jubiläumsjahr 2016 erfolgten Umbenennung in „Universitätsgesellschaft Bielefeld“ baut sie Brücken zwischen Universität und Bevölkerung in Stadt und Region, stärkt die Verbindungen zwischen Universität und Wirtschaft, fördert Lehre und Forschung, Dialogveranstaltungen, kulturelle Angebote, die Internationalisierung und lobt Wettbewerbe für exzellente Lehre und Forschung aus.
Helmut Schelsky darf eine Universität planen
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Fotograf: Günter Rudolf
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld
Der Veröffentlichung des Planungsauftrags in der Presse waren intensive Gespräche zwischen Mikat bzw. Ministeriumsvertretern und Schelsky vorausgegangen. Schelsky, einer der wirkungsvollsten Soziologen der Bundesrepublik und „Stichwortgeber des Zeitgeistes“ (Ludolf Hermann) hatte sich in den 1960er Jahren verstärkt bildungspolitischen Themen und der Reform des deutschen Hochschulwesens zugewandt. Einem längeren programmatischen Artikel in der FAZ („Wie gründet man Universitäten? Konstruktives und Kritisches zu den Hochschulgründungen in Westdeutschland“) folgte 1963 die Monographie „Einsamkeit und Freiheit – Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen“.
Freie Hand für Schelsky
Als Mikat ihn am 20. Januar 1965 privat auf eine Universität in Ostwestfalen ansprach und ihm kurze Zeit später den Vorsitz eines Gründungsausschusses anbot, konnte Schelsky kein fertiges Konzept aus der Tasche ziehen. Nun war er gezwungen seinen theoretischen Überlegungen eine aussagekräftige und in die Praxis übertragbare Universitätskonzeption folgen zu lassen. Lediglich zwei knapp gehaltene Skizzen („Grundzüge zu einer Hochschulgründung in Ost-Westfalen“ und „Grundzüge einer neuen Universität“) sowie ein weiteres persönliches Gespräch am 26. Februar schienen Mikat überzeugt zu haben. In seiner Terminliste notiert Schelsky unter diesem Datum: „Volle Zustimmung von Mikat. Gibt mir freie Hand. Planungsauftrag verabredet“. Die vom Ministerium vorbereitete Liste eines Gründungsausschusses blieb in der Schublade und Schelsky begann mit von ihm benannten Personen und – außergewöhnlich für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts – weitgehend selbständig „seine“ Hochschulplanung.